Sudan: Überlebende aus Al-Faschir berichten von Tötungen und sexualisierter Gewalt durch RSF-Miliz

  • 28 Überlebende berichten von Tötungen, Misshandlungen, Vergewaltigungen und sexualisierten Übergriffen
  • RSF-Kämpfer, die für Angriffe auf Zivilpersonen verantwortlich sind, müssen zur Rechenschaft gezogen werden
  • Die Unterstützung der Vereinigten Arabischen Emirate für die RSF ist für die Gewalt mitverantwortlich

Das Ausmaß der Gräueltaten der RSF-Miliz in Al-Faschir war vom Weltall aus zu sehen: Satellitenbilder zeigten laut Medienberichten Blutlachen, Leichen und Zerstörung. Anderthalb Jahre hatten die „Rapid Support Forces“ (RSF) die Stadt belagert. Als die Miliz Al-Faschir am 26. Oktober 2025 eroberte, waren noch schätzungsweise 260.000 Zivilpersonen in der Stadt eingeschlossen. Sie waren den RSF-Kämpfern schutzlos ausgeliefert.

Überlebende, die aus Al-Faschir fliehen konnten, haben Amnesty International berichtet, wie RSF-Kämpfer bei der Eroberung der Stadt zahlreiche unbewaffnete Männer hinrichteten und Dutzende von Frauen und Mädchen vergewaltigten.

Die Befragten schilderten, dass sie miterlebten, wie Gruppen von Männern erschossen oder verprügelt und als Geiseln genommen wurden, um Lösegeld zu erpressen. Weibliche Überlebende gaben an, dass sie und einige ihrer Töchter sexualisierter Gewalt durch RSF-Kämpfer ausgesetzt waren. Viele Befragte berichteten, dass sie Hunderte von Leichen in den Straßen von Al-Faschir und den Hauptausfallstraßen liegen sahen.

Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden

„Die Welt darf nicht wegschauen, wenn weitere Details über den brutalen Angriff der RSF auf Al-Faschir bekannt werden. Die Überlebenden, die wir interviewt haben, berichteten von unvorstellbarem Grauen, dem sie auf ihrer Flucht aus der Stadt ausgesetzt waren“, sagte Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International. „In den kommenden Wochen werden weitere Belege für die von RSF-Kämpfern in Al-Faschir verübte Gewalt auftauchen. Diese anhaltende Gewalt gegen die Zivilbevölkerung stellt ein Kriegsverbrechen dar und kann auch Kriterien für andere völkerrechtliche Straftaten entsprechen. Alle Verantwortlichen müssen für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden.“

„Während der Konflikt weitergeht, sind die Schilderungen der Überlebenden ein weiterer Beweis für das Versagen der internationalen Gemeinschaft im Sudan“, so Callamard weiter. „Die internationale Gemeinschaft muss ihre Bemühungen verstärken, um die Rechenschaftspflicht zu gewährleisten, die Gefährdeten zu schützen und von allen Staaten, die die RSF entweder direkt unterstützen oder deren Handlungen ermöglichen, eine sofortige Kursänderung zu verlangen.“

„Als die Menschen am Boden lagen, haben die RSF-Kämpfer sie hingerichtet“

Einer der Überlebenden, mit denen Amnesty sprach, ist Ahmed (Name geändert). Der 21-Jährige versuchte mit seiner Frau, zwei kleinen Kindern und seinem älteren Bruder zu fliehen, indem er einer Gruppe von Soldaten der sudanesischen Streitkräfte (SAF) folgte, die ihre Posten verlassen hatten.

Nachdem seine Frau durch ein Schrapnell getötet und er von seinen Kindern getrennt wurde, war Ahmed gezwungen, mit seinem Bruder weiter nach Norden zu ziehen. Unterwegs nahmen sie zwei Mädchen im Alter von drei und vier Jahren auf. Ihre Eltern waren offenbar getötet worden. Als die Gruppe zusammen mit drei anderen Männern und einer älteren Frau Golo erreichten, am Stadtrand von Al-Faschir gelegen, erreichte, gerieten sie in einen Hinterhalt von RSF-Kämpfern.

Ahmed sagte: „Sie fragten uns: ‚Seid ihr Soldaten oder Zivilisten?‘, und wir sagten ihnen, wir seien Zivilisten. Sie erwiderten: ‚In Al-Faschir gibt es keine Zivilisten, jeder ist ein Soldat‘.“ Die RSF-Kämpfer befahlen dann seinem Bruder und den anderen drei Männern, sich hinzulegen: „Als sie am Boden lagen, haben sie sie hingerichtet.“

Die Kämpfer ließen Ahmed, die beiden jungen Mädchen und die ältere Frau aus für sie unklaren Gründen gehen. Drei Tage später erreichte Ahmed mit den beiden Mädchen das etwa 60 Kilometer entfernte Tawila. Die ältere Frau starb jedoch auf der Reise, wahrscheinlich an Dehydrierung.

„Meine Freunde starben vor meinen Augen“

Der 19-jährige Daoud (Name geändert) floh aus Al-Faschir mit sieben Freunden aus der Nachbarschaft  Er sagte, sie seien alle getötet worden, nachdem RSF-Kämpfer sie an einer Böschung, die die Stadt umgibt, gefangen genommen hatten: „Sie schossen aus allen Richtungen auf uns… Meine Freunde starben vor meinen Augen.“

„Die RSF tötete Menschen wie Fliegen“

Khalil (Name geändert) floh  am 27. Oktober aus Al-Faschir. Der 34-Jährige schilderte, wie er und etwa 20 weitere Personen, denen es zunächst gelungen war, die Böschung zu überwinden, bald darauf von RSF-Kämpfern in Autos eingeholt wurden: „Die RSF-Kämpfer… forderten uns auf, uns auf den Boden zu legen… Zwei RSF-Kämpfer eröffneten das Feuer auf uns… Sie töteten 17 der 20 Männer, mit denen ich auf der Flucht war.“

Khalil sagte, er habe nur überlebte, weil er sich totgestellt habe: „Die RSF tötete Menschen wie Fliegen. Es war ein Massaker. Keine der getöteten Personen, die ich gesehen habe, waren bewaffnete Soldaten“.

„Sie haben es genossen, sie haben gelacht“

Badr (Name geändert) war bis zum 26. Oktober mit seinem Onkel in Al-Faschir geblieben, der sich im Krankenhaus von einer Schussverletzung am Bein erholte. Am 27. Oktober organisierte der 26-Jährige einen Eselskarren, um seinen Onkel, zwei weitere ältere Patienten und deren Angehörige gegen 1 Uhr nachts aus der Stadt zu bringen. Als sie das Dorf Shagara, etwa 20 km westlich von Al-Faschir, erreichten, wurden sie von RSF-Fahrzeugen eingekreist.

Gegenüber Amnesty berichtete Badr, dass RSF-Kämpfer ihnen die Hände fesselten und die jüngeren, unverletzten Männer aufforderten, hinten in ihren Pickup zu steigen. Sie verlangten, dass auch die drei älteren Männer, die alle über 50 Jahre alt und schwer verletzt waren, einstiegen.

Badr sagte: „Sie konnten sehen, dass es sich um ältere Menschen handelt, dass sie nicht selbst gehen konnten und in den Transporter getragen werden müssten… Sie dachten, dass sie damit ihre Zeit verschwenden… Einer von ihnen, der ein Maschinengewehr hatte, stieg [aus dem Lastwagen] und … eröffnete das Feuer. Er tötete sie, und dann tötete er die Esel… [Die RSF-Kämpfer] hatten Spaß daran, sie lachten.“

Die RSF-Kämpfer verbanden Badr die Augen und brachten ihn zusammen mit fünf anderen Gefangenen in ein nahe gelegenes Dorf. Nach drei Tagen wurden sie an einen anderen Ort verlegt, der etwa vier Autostunden entfernt war. Badr durfte seine Verwandten anrufen, und die RSF-Milizen verlangte, dass sie mehr als 20 Millionen sudanesische Pfund (etwa 8.880 USD) für seine Freilassung zahlen.

Während seiner Gefangenschaft wurde Badr Zeuge, wie ein RSF-Milizionär die Hinrichtung eines Mannes während eines Telefonats mit Angehörigen filmte. Der Mann war einer von drei inhaftierten Brüdern, deren Familie noch kein Lösegeld für ihre Freilassung gezahlt hatte. Badr sagte: „Sie schossen einem vor laufender Kamera in den Kopf und sagten [seinen Angehörigen]: Wenn ihr das Geld nicht so schnell wie möglich schickt, werden die anderen beiden getötet und ihr werdet nicht einmal erfahren, dass sie getötet wurden.

 

Sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Ibtisam (Name geändert) verließ am Morgen des 27. Oktober mit ihren fünf Kindern das Viertel Abu Shouk in Al-Faschir. Zusammen mit einer Gruppe von Nachbar*innen machten sie sich auf den Weg nach Westen in Richtung Golo, wo sie von drei RSF-Kämpfern aufgehalten wurden.

Ibtisam sagte: „Einer von ihnen zwang mich, mit ihnen zu gehen, zerschnitt meine Jalabiya [ein traditionelles Gewand] und vergewaltigte mich. Als sie gingen, kam meine 14-jährige Tochter zu mir. Ich stellte fest, dass ihre Kleidung blutverschmiert und zerrissen war. Ihr Haar am Hinterkopf war voller Staub.“

Ibtisam erzählte Amnesty International, dass ihre Tochter die nächsten Stunden schweigend verbrachte, bis sie ihre Mutter weinen sah: „Sie kam zu mir und sagte: ‚Mama, sie haben mich auch vergewaltigt, aber sag es niemandem‘. Nach der Vergewaltigung wurde meine Tochter sehr krank… Als wir Tawila erreichten, verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, und sie starb in der Klinik.“

Die 29-jährige Khaltoum (Name geändert),versuchte am Nachmittag des 26. Oktober mit ihrer zwölfjährigen Tochter aus Al-Faschir zu fliehen. Zusammen mit mehr als 150 weiteren Personen erreichten sie das „Babul Amal“-Tor auf der Westseite der Stadt. Sie wurden von RSF-Kämpfern aufgehalten, die die Männer von den Frauen trennten und fünf Männer töteten.

Khaltoum wurde anschließend zusammen mit ihrer Tochter und etwa 20 anderen Frauen zu Fuß in das mehr als zehn Kilometer km entfernte Binnenvertriebenenlager Zamzam gebracht. Dort trennten RSF-Kämpfer die jüngeren Frauen von den anderen und forderten sie auf, sich für eine Durchsuchung anzustellen.

Kahltoum sagte Amnesty International: „Sie wählten etwa elf von uns aus… Ich wurde in eine Rakuba [Behelfsunterkunft] gebracht, und ein bewaffneter RSF-Kämpfer und ein anderer, der nicht bewaffnet war, begleiteten mich. Sie durchsuchten mich und dann vergewaltigte mich der unbewaffnete Mann, während der andere zusah. Er hielt mich den ganzen Tag dort fest. Er hat mich dreimal vergewaltigt. Meine Tochter wurde nicht vergewaltigt, aber die anderen zehn Frauen, die sie für die Suche ausgewählt haben, wurden alle vergewaltigt“.

Was fordert Amnesty International?

„Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben durch ihre Unterstützung der RSF diese Gräueltaten gefördert.“, erklärt Amnesty-Generalsekretärin Callamard. „Die anhaltende Unterstützung der VAE für die RSF heizt den unerbittlichen Kreislauf der Gewalt gegen die Zivilbevölkerung im Sudan an. Die internationale Gemeinschaft und der UN-Sicherheitsrat müssen von den VAE verlangen, dass sie ihre Unterstützung für die RSF einstellen.

Es sei zwingend erforderlich, dass die vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzte Sudan-Untersuchungskommission über die notwendigen Ressourcen verfügt, um ihr Mandat sinnvoll zu erfüllen und die Menschenrechtsverletzungen und -verstöße im Sudan, einschließlich derer in Al-Faschir, zu untersuchen. Der UN-Sicherheitsrat, der die Situation in Darfur an den Internationalen Strafgerichtshof verwiesen hat, müsse diesen Schritt nun unbedingt auf den restlichen Sudan ausweiten.

„Amnesty International fordert alle externen Akteure auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Verkauf oder die Lieferung von Waffen und damit verbundenem Material an alle Konfliktparteien zu beenden, wie es das vom UN-Sicherheitsrat verhängte Waffenembargo vorsieht, ein Embargo, das auf das gesamte Land ausgedehnt werden muss“, so Callamard.

Amnesty International appelliert auch an die internationalen und regionalen Akteure, darunter die VAE, Saudi-Arabien, den UN-Sicherheitsrat, die EU und ihre Mitgliedstaaten, die Afrikanische Union, die Intergovernmental Authority on Development (IGAD), das Vereinigte Königreich, die USA, Russland und China. Sie müssen dringend diplomatischen Druck auf die RSF-Führung ausüben, damit diese ihre Angriffe auf die Zivilbevölkerung einstellt, einschließlich sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen.

Hat Amnesty weitere Beweise für Kriegsverbrechen?

Amnesty International hat bereits vor der Eroberung von Al-Faschir Kriegsverbrechen durch die RSF und verbündete arabische Milizen dokumentiert, die gemeinsam rassistisch motivierte Angriffe gegen die Masalit und andere nicht-arabische Gemeinschaften in West-Darfur verübten. Amnesty hat im ganzen Land sexualisierte Gewalttaten durch die RSF dokumentiert, die auf Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen.

Amnesty International hat auch schon früher dokumentiert, wie der Konflikt im Sudan durch einen ständigen Zustrom von Waffen in das Land geschürt wird, wobei insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate Waffen und Munition an die RSF liefern. Dies stellt eine eklatante Verletzung des vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Waffenembargos für Darfur dar – ein Embargo, das auf das gesamte Land ausgedehnt werden sollte.

Fordere ein Waffenembargo gegen alle Konfliktparteien im Sudan!Ungefähr 150.000 Menschen wurden getötet, zwölf Millionen vertrieben: Fordere die UN auf, ein Waffenembargo im Sudan durchzusetzen, um die Bevölkerung zu schützen!

Original-Nachricht;: Sudan: Überlebende aus Al-Faschir berichten von Tötungen und sexualisierter Gewalt durch RSF-Miliz | Amnesty International