Im Sudan tobt der Konflikt zwischen den paramilitärischen Einheiten der Rapid Support Forces (RSF) und der sudanesischen Armee. Der neue Amnesty-Bericht mit dem Titel ‘Death Came To Our Home’: War Crimes and Civilian Suffering In Sudan dokumentiert, wie vorsätzliche und wahllose Angriffe der Konfliktparteien massenhaft zivile Opfer fordern. Auch sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen, gezielte Angriffe auf zivile Objekte wie z. B. Krankenhäuser und Kirchen sowie großflächige Plünderungen werden aufgezeigt. Manche der dokumentierten Menschenrechtsverletzungen sind als Kriegsverbrechen zu betrachten. Der Amnesty-Bericht konzentriert sich vornehmlich auf Khartum und West-Darfur.
„Überall im Sudan erlebt die Zivilbevölkerung tagtäglich unvorstellbare Gräuel, weil die Rapid Support Forces und die sudanesische Armee rücksichtslos um territoriale Kontrolle kämpfen“, so Julia Duchrow, stellvertretende Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. „Menschen werden in ihrem Zuhause oder bei der verzweifelten Suche nach Nahrung, Wasser oder Medikamenten getötet. Sie geraten ins Kreuzfeuer, während sie zu fliehen versuchen, oder werden bei gezielten Angriffen beschossen. Beide Konfliktparteien vergewaltigten und verübten andere Formen sexualisierter Gewalt gegen zahlreiche Frauen und Mädchen. Die Menschen sind nirgendwo sicher. In der Region Darfur, wo die RSF und verbündete Milizen für Tod und Verwüstung sorgen, werden Erinnerungen an die Gewalt und Zerstörung der vergangenen Jahrzehnte wach, bei dem teils dieselben Akteure Gewalttaten verübten. Die RSF und die sudanesische Armee sowie ihre jeweils verbündeten Gruppen müssen aufhören, die Zivilbevölkerung anzugreifen, und sie müssen sichere Fluchtwege für alle Schutzsuchenden bereitstellen.“
Zivilist*innen geraten regelmäßig ins Kreuzfeuer, da beide Seiten Angriffe auf dichtbesiedelte zivile Wohngebiete vornehmen, häufig mit Einsatz von Explosivwaffen mit flächendeckender Wirkung. Zahlreiche Zivilpersonen berichteten Amnesty International, dass sie an Orten, an denen sie Schutz gesucht hatten, verletzt und ihre Verwandten getötet wurden. So wurden am 6. Juni in West-Darfur bei wiederholten Angriffen mit bodengestützten Projektilen dutzende Zivilpersonen getötet oder verletzt, die in und nahe den Frauenschlafsälen der Universität von Al-Dschunaina Schutz gesucht hatten.
Zivilpersonen werden auch vorsätzlich angegriffen, verletzt oder getötet. Meist geben Überlebende und andere Zeug*innen an, dass Angehörige der paramilitärischen RSF für diese gezielten Angriffe verantwortlich waren. Am 13. Mai verschafften sich RSF-Mitglieder Zutritt zu dem koptisch-orthodoxen Kirchenkomplex Mar Girgis im Stadtteil Bahri in Khartum. Mehrere Augenzeug*innen gaben an, dass die Angreifer fünf Geistliche erschossen und Geld sowie ein goldenes Kreuz stahlen. Am 14. Mai wurden in einer medizinischen Rettungsstation (Markaz Inqadh al-Tibbi) in Al-Dschunaina 14 Personen getötet, darunter Dr. Adam Zakaria Is’haq, ein 38-jähriger Arzt und Menschenrechtsverteidiger. Zwei Kolleg*innen des getöteten Arztes berichteten Amnesty International, dass die 14 Personen von bewaffneten arabischen Milizionären erschossen worden seien.
Teilweise richtet sich die Gewalt gegen bestimmte ethnische Gruppen. Aufgrund der zunehmenden Spannungen in West-Darfur sind viele Angehörige der ethnischen Gemeinschaft der Masalit in den Osten des Tschad geflohen. Menschen, die aus Al-Dschunaina geflohen waren, berichteten Amnesty International, dass die Stadt von schwerbewaffneten arabischen Milizen mit Unterstützung durch RSF-Mitglieder angegriffen worden sei. Am 28. Mai wurden in der Ortschaft Misterei südwestlich von Al-Dschunaina Dutzende Zivilpersonen getötet, als es zu Kämpfen zwischen der RSF und verbündeten Milizen auf der einen und bewaffneten Masalit-Gruppen auf der anderen Seite kam. Von Anwohner*innen erfuhr Amnesty International, dass sie 58 Zivilpersonen begraben mussten, die allein an diesem Tag getötet wurden. Eine Familie hatte den Verlust von fünf Brüdern zu beklagen, die bei sich zuhause erschossen wurden.
Angehörige der Konfliktparteien verübten Vergewaltigungen und andere Formen sexualisierter Gewalt gegen zahlreiche Frauen und Mädchen, von denen manche erst zwölf Jahre alt waren. In einigen Fällen wurden Frauen und Mädchen tagelang unter Bedingungen festgehalten, die sexueller Sklaverei gleichkommen. In den meisten von Amnesty International dokumentierten Fällen gaben die Überlebenden an, die Verantwortlichen seien Angehörige der RSF oder verbündeter arabischer Milizen gewesen. Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei und andere Formen sexualisierter Gewalt, die im Rahmen eines bewaffneten Konflikts begangen werden, gelten als Kriegsverbrechen.
Im ganzen Land sind zahlreiche medizinische und humanitäre Einrichtungen beschädigt oder zerstört worden, wodurch die Zivilbevölkerung keinen Zugang zu Nahrungsmitteln bzw. Medikamenten mehr hat. Die meisten dokumentierten Fälle von Plünderung gingen von RSF-Mitgliedern aus. Vorsätzliche Angriffe auf Angehörige oder Objekte humanitärer Organisationen sowie auf Gesundheitseinrichtungen gelten ebenfalls als Kriegsverbrechen.
Julia Duchrow, stellvertretende Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland fordert: „Die internationale Gemeinschaft sollte dem Sudan erheblich mehr humanitäre Unterstützung zukommen lassen. Die Nachbarstaaten müssen ihre Grenzen für schutzsuchende Zivilpersonen öffnen. Auch muss der UN-Sicherheitsrat das bestehende Waffenembargo auf den gesamten Sudan ausweiten und seine Durchsetzung sicherstellen. Länder, die in der Position sind, wirksam Druck auf die Konfliktparteien auszuüben, müssen ihren Einfluss geltend machen, um die Menschenrechtsverletzungen zu beenden. Der UN-Menschenrechtsrat sollte einen unabhängigen Untersuchungs- und Rechenschaftsmechanismus für den Sudan einrichten, um Nachweise für Menschenrechtsverstöße zu sammeln und aufzubewahren.“
Hier geht es zur original englischen PM und zum Bericht:
Sudan: “Death came to our home”: War crimes and civilian suffering in Sudan – Amnesty International