Sudan: Nachbarländer müssen sichere Fluchtwege gewährleisten

Die an den Sudan angrenzenden Länder müssen ihre Einreisebeschränkungen für Menschen, die vor dem Konflikt im Land fliehen, unverzüglich aufheben. Etwa eine halbe Million Menschen sind bereits vor den Kämpfen geflohen. Die Nachbarländer müssen ihnen Schutz und Sicherheit gewähren, so Amnesty International.

Zwischen dem 9. Mai und 16. Juni 2023 interviewten Mitarbeiter*innen von Amnesty International 29 Zivilist*innen, die vor dem im April ausgebrochenen Konflikt geflohen waren. An der Grenze standen diese vor der schweren Entscheidung, entweder in umkämpfte Gebiete zurückzukehren oder weiter auf unbestimmte Zeit auszuharren und zu warten, bis sie die Grenze passieren konnten. Nicht einmal die Grundversorgung der Betroffenen war gewährleistet. Sowohl die medizinische Versorgung als auch der Schutz von Privatsphäre und Menschenwürde gestalteten sich schwierig.

Zu den Befragten gehörten Menschen in Wadi Halfa, nahe der Grenze zu Ägypten, und in Port Sudan, einem Hafen am Roten Meer, sowie Personen, die die sudanesische Grenze an verschiedenen Orten überquert hatten und sich entweder in Addis Adeba, Juba, Renk, Kairo, Dubai oder N’Djamena befanden oder auf dem Weg zu diesen Orten waren.

Hunderte von Menschen warten an den Grenzübergängen in Qustul und Argeen darauf, die Grenze überqueren zu können. Die an der Grenze und in den benachbarten Städten zur Verfügung stehenden Einrichtungen sind für die Anzahl der Menschen völlig ungenügend.

Die Nachbarländer des Sudan müssen ihre Grenzen für diejenigen öffnen, die vor diesem eskalierenden Konflikt fliehen.

Franziska
Ulm-Düsterhöft
Afrika-Referentin bei Amnesty International in Deutschland

Einigen Asylsuchenden, die aus dem Sudan geflohen sind, wird in den Nachbarstaaten die Einreise verweigert. Dadurch verschärft sich ihre Notsituation. Viele Menschen könnten nun gezwungen sein, in die Konfliktgebiete zurückzukehren und sich den Gefahren auszusetzen, vor denen sie geflohen sind.

“Amnesty International fordert die Nachbarländer des Sudan auf, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und ihre Grenzen für diejenigen zu öffnen, die vor diesem eskalierenden Konflikt fliehen”, sagt Franziska Ulm­-Düsterhöft, Afrika-Referentin bei Amnesty International in Deutschland.

Neben den direkt Betroffenen befragte Amnesty International auch Zeug*innen und Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen. Außerdem wurden Dokumente, Videos, Fotos und Berichte von Medien und Nichtregierungsorganisationen in der Region ausgewertet, um die Berichte Aussagen verifizieren zu können.

 

“Sicherheitsüberprüfung” durch sudanesische Behörden

Diejenigen, die vor dem Konflikt geflohen sind, mussten mehrere Straßensperren und Kontrollpunkte passieren, wo sie von Beamt*innen schikaniert und bedroht wurden, sodass sie den Sudan nicht ohne weiteres verlassen konnten.

Amnesty International liegen Berichte vor, wonach die Kosten für Fahrten von Khartum zur Grenze erheblich gestiegen sind, was die Möglichkeiten vor der Gewalt zu fliehen, weiter einschränkt.

Drei der Interviewpartner*innen gaben an, dass sie vom sudanesischen Militär befragt wurden, als sie versuchten, das Land zu verlassen. Es wurde ihnen die Ausreise erschwert und es kam zu erheblichen Verzögerungen an der Grenze.

Den von Amnesty International ausgewerteten Berichten zufolge warteten Hunderte Menschen an den Grenzübergängen in Qustul und Argeen in der Nähe von Wadi Halfa darauf, die Grenze überqueren zu können. Die an der Grenze und in den benachbarten Städten zur Verfügung stehenden Einrichtungen waren für die Anzahl der Menschen völlig ungenügend.

Zusätzliche Einschränkungen durch die ägyptischen Behörden 

Ägypten hat die meisten Menschen aufgenommen, die vor dem Konflikt im Sudan geflohen sind. Nach Angaben des ägyptischen Außenministeriums sind bis zum 26. Juni über 250.000 sudanesische Staatsangehörige eingereist.

Nach den von Amnesty International gesammelten Informationen verlangten die ägyptischen Behörden ab dem 10. Juni 2023 von allen sudanesischen Staatsangehörigen ein Einreisevisum, das von den ägyptischen Konsulaten in Wadi Halfa oder in Port Sudan ausgestellt werden kann. Das Land begründete diesen Schritt damit, dass es notwendig sei, Visafälschungen entgegenzuwirken und um den Zustrom sudanesischer Staatsangehöriger nach Ägypten besser steuern zu können.

Regionaler Hilfsplan

Der regionale Hilfsplan für den Sudan des Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) sieht vor allem Nothilfe für den Tschad, den Südsudan, Ägypten, Äthiopien und die Zentralafrikanische Republik vor. Doch wurden bis zum 27. Juni nur 13 Prozent der beantragten 520 Mio. Euro bereitgestellt.

“Die Nachbarländer dürfen nicht mit der Versorgung der Flüchtlinge allein gelassen werden. Die internationale Gemeinschaft muss Verantwortung übernehmen und genügend Gelder zur Finanzierung der humanitären Hilfe im Sudan selbst und zur Versorgung von Flüchtlingen in den Nachbarländern bereitstellen.”

“Aufgrund der anhaltenden desaströsen Situation im Sudan fordert Amnesty International die Bundesregierung auf, einen formellen Abschiebungsstopp in den Sudan zu erlassen und von jeglicher Überstellung sudanesischer Staatsangehöriger in ein Drittland, in dem die Gefahr besteht, in den Sudan zurückgeführt zu werden, abzusehen”, so Franziska Ulm-Düsterhöft.

Hier die original englische Pressemitteilung:Sudan: Neighbouring countries must provide safe passage to those fleeing conflict – Amnesty International