Burundi: Erschütternde Entscheidung – Berufungsgericht bestätigt die Verurteilung des Anwalts Tony Germain Nkina

Portraitbild von Tony Germain Nkina in Anwaltsrobe

Der Rechtsanwalt Tony Germain Nkina war Vertreter von APRODH in Kayanza, bis die Regierung die Organisation 2015 im Rahmen ihres harten Vorgehens gegen die Zivilgesellschaft verbot

Amnesty International verurteilt gemeinsam mit fünf weiteren Menschenrechtsorganisationen (Burundi Human Rights Initiative, DefendDefenders – Projekt für Menschenrechtsverteidiger_innen in Ost- und am Horn von Afrika, Human Rights Watch, Protection International Africa und TRIAL International) eine Entscheidung des Berufungsgerichts Ngozi von 29. September. Das Gericht entschied sich, die fünfjährige Haftstrafe des burundischen Anwalts Tony Germain Nkina trotz eines vorangegangenen eindeutig unfairen Verfahren aufrechtzuerhalten.

“Der Prozess gegen Tony Germain Nkina war ein Armutszeugnis für die Justiz”, sagte Lewis Mudge, Direktor für Zentralafrika bei Human Rights Watch. “Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist bei derartig stichhaltigen Indizien für ein unfaires Verfahren eine Verhöhnung des burundischen Justizsystems. Nkina ist Anwalt in der Provinz Kayanza und ehemaliges Mitglied der Vereinigung zum Schutz der Menschenrechte und inhaftierter Personen (Association pour la protection des droits humains et des personnes détenues, APRODH). Die sechs Organisationen gehen davon aus, dass Nkina aufgrund seiner früheren Mitgliedschaft in der bis 2015 führenden Menschenrechtsvereinigung Burundis verhaftet und verurteilt wurde.

Nkina war der Vertreter von APRODH in Kayanza, bis die Regierung die Organisation im Rahmen ihres harten Vorgehens gegen die unabhängige Zivilgesellschaft 2015 verbot. In den vergangenen sechs Jahren arbeitete Nkina weder für APRODH noch für eine andere burundische zivilgesellschaftliche Organisation. Am 13. Oktober 2020 wurde er in der Ortschaft Kabarore verhaftet, wo er einen Mandanten im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt besucht hatte. Im Juni 2021 befand ihn ein Gericht in Kayanza der Kollaboration mit bewaffneten Gruppen für schuldig – eine in Burundi übliche Anschuldigung gegen vermeintliche Gegner_innen und Kritiker_innen – und verurteilte ihn zu einer fünfjährigen Haftstrafe. Sein Mandant Apollinaire Hitimana, den er in einem Landstreit beraten hatte, wurde der Mittäterschaft für schuldig erklärt und zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt.

Das Berufungsgericht Ngozi bestätigte Urteil und Strafmaß sowohl gegen Hitimana als auch Nkina. Die ursprünglich für den 12. August angesetzte Anhörung wurde zweimal verschoben und fand schließlich am 20. September statt. Die Staatsanwalt konnte jedoch keinerlei belastbare Beweise gegen Nkina vorlegen, zudem erschien keine_r einzige_r ihrer Zeug_innen. Nkina und seine Anwält_innen konnten glaubhaft nachweisen, dass er Kabarore aus legitimen beruflichen Gründen besucht hatte. Gleichwohl hielt das Gericht die Verurteilung für rechtmäßig und verkündete innerhalb kürzester Zeit das Ergebnis.

“Nkinas Verurteilung ist ein weiterer Schandfleck in Burundis Menschenrechtsbilanz – und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Regierung versucht, ihr öffentliches Image zu verbessern”, so Deprose Muchena, Direktor für das östliche und südliche Afrika bei Amnesty International. „Sollten die burundischen Autoritäten ein ernsthaftes Interesse an einem funktionierenden Justizsystem haben, müssen alle Anklagen gegen Nkina fallengelassen und seine Inhaftierung unverzüglich rückgängig gemacht werden. Nur so kann die nationale und internationale Öffentlichkeit von der Zuverlässigkeit der burundischen Justiz überzeugt werden.“

Die Europäische Union (EU) und Burundi stehen in intensivem Dialog und streben eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit an. Diese Chance sollten die EU und ihre Mitgliedstaaten nutzen, um mit Präsident Évariste Ndayishimiye in Gespräche zu gehen: Seine Versprechen, die Menschenrechte zu achten und das Justizsystem zu reformieren, können nicht ernst genommen werden, solange Nkina nur aufgrund seiner früheren Menschenrechtsaktivitäten inhaftiert ist.

Die gezielte Verfolgung Nkinas und seine Verurteilung in einem unfairen Gerichtsverfahren stehen für die sechs Menschenrechtsorganisationen exemplarisch für die Menschenrechts- situation in Burundi. Die Räume für Zivilgesellschaft und Medien bleiben weiterhin stark eingeschränkt. Wir fordern Regierungsvertreter_innen sowie Repräsentant_innen der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und anderer Internationaler Organisationen auf, die Inhaftierung von Tony Germain Nkina öffentlich zu verurteilen und auf seine sofortige Freilassung zu drängen.

Für weitere Informationen: https://www.amnesty.org/en/documents/afr16/4853/2021/en/