Ruanda: 30 Jahre nach dem Ende des Völkermords ist Gerechtigkeit nötiger denn je

Liste mit Namen von Genozidopfern

Anlässlich des 30. Jahrestages des Völkermordes an den Tutsi in Ruanda im Jahr 1994 ruft Amnesty International die internationale Gemeinschaft auf, ihre Bemühungen um Gerechtigkeit und Rechenschaft für die Opfer und Überlebenden zu erneuern und zu bekräftigen. Während des Völkermords, der 07. April begann, wurden schätzungsweise 800.000 Menschen getötet, darunter auch Hutu und andere, die sich dem Völkermord und der extremistischen Regierung widersetzten, die diesen orchestrierte.

Gegen viele Täter*innen wurde bereits durch nationale Gerichte in Ruanda sowie durch die speziell für die Wiederherstellung der Gerechtigkeit nach dem Völkermord gegründeten Community-Gerichtshöfe Verfahren eröffnet. Ebenso wurden Täter*innen nach dem Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit vor dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) und vor europäischen und nordamerikanischen Gerichten angeklagt. Doch die jüngsten Entwicklungen machen deutlich, wie wichtig es ist, unverzüglich für umfassende Gerechtigkeit zu sorgen:

“Verzögerte Gerechtigkeit ist verweigerte Gerechtigkeit. Mehrere der meistgesuchten Völkermordverdächtigen sind gestorben, bevor sie sich vor Gericht ve@rantworten konnten, und das Verfahren gegen einen weiteren Angeklagten wurde aufgrund einer altersbedingten Erkrankung auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Dies zeigt, wie wichtig es ist, mit allem Nachdruck dafür zu sorgen, dass den Überlebenden und Angehörigen der Opfer in Ruanda Gerechtigkeit widerfährt”

– Tigere Chagutah, Regionaldirektor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika.

Zwischen Mai 2020 und November 2023 bestätigte das Team zur Aufspürung flüchtiger Personen (Fugitive Tracking Team) des Internationalen Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe (IRMCT) den Tod von vier der meistgesuchten flüchtigen Angeklagten des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda (ICTR).

Die sterblichen Überreste von Augustin Bizimana, Verteidigungsminister während des Völkermordes, wurden 2020 in der Republik Kongo gefunden. Außerdem bestätigte das IRMCT, dass Protais Mpiranya, Befehlshaber der Präsidentengarde, 2006 in Simbabwe gestorben ist. Ihm wurde die Verantwortung für die Ermordung hochrangiger gemäßigter Politiker*innen, darunter die damalige Premierministerin Agathe Uwilingiyimana, der Präsident des Verfassungsgerichts, der Landwirtschaftsminister, der Informationsminister sowie insgesamt zehn belgischer Friedenssoldaten der Vereinten Nationen vorgeworfen.                                                                                                                                                                                                                                                             Ebenfalls bestätigt wurde, dass Phénéas Munyarugarama, der Kommandant des Militärlagers Gako und ranghöchste Offizier in der Region Bugesera während des Völkermords, 2002 in der Demokratischen Republik Kongo gestorben ist.                                                                                                                                                                                                                               Zudem wurde bestätigt, dass Aloys Ndimbati, der Bürgermeister von Gisovu, 1997 in Ruanda gestorben ist.

Im Mai 2023 wurde schließlich ein weiterer Völkermordverdächtiger und ICTR-Angeklagter, Fulgence Kayishema, der jahrzehntelang untergetaucht war, in Südafrika festgenommen. Es wurde erwartet, dass er entweder an das IRMCT in Tansania oder direkt nach Ruanda überstellt wird, um sich dort vor Gericht zu verantworten, aber bis heute befindet er sich in Südafrika wegen einer Anklage im Zusammenhang mit seiner Einwanderung in Haft.

Im August 2023 wurde der Prozess gegen den 90-jährigen mutmaßlichen Hauptfinanzier des Völkermords, Félicien Kabuga, der nach 26 Jahren auf der Flucht gefasst wurde, aufgrund einer altersbedingten Erkrankung auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Die Entscheidung wurde von den Berufungsrichtern des IRMCT getroffen, nachdem Kabuga im Juni 2023 für verhandlungsunfähig erklärt worden war, da er an schwerer Demenz litt. Ihm wurde vorgeworfen, die Interahamwe-Milizen zu finanziert und logistisch unterstützt zu haben, sowie die Ausstrahlung von völkermörderischen Hassreden durch den Sender Radio Television Libre des Milles Collines (RTLM) gefördert zu haben. Überlebende äußerten sich wütend und enttäuscht über die Entscheidung des Gerichts.

Wir fordern die internationale Staatengemeinschaft auf, sich unermüdlich für eine zügige Strafverfolgung einzusetzen, unter anderem durch die strafrechtliche Verfolgung mutmaßlicher Täter im Rahmen der universellen Gerichtsbarkeit. Nur so kann es gelingen, den Opfern des Völkermordes ein ehrendes Andenken zu bewahren und den Überlebenden und den Familien der Opfer Gerechtigkeit widerfahren zu lassen”

– Tigere Chagutah, Regionaldirektor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika.

 

Zum Original-Artikel geht es hier: https://www.amnesty.org/en/latest/news/2024/04/rwanda-30-years-on-justice-for-genocide-crimes-more-urgent-than-ever/