Ost- und Südafrika: Angriffe auf Journalist*innen nehmen zu und die Behörden schränken die Pressefreiheit weiter ein

Graphic with erected large yellow pen against gray background with barbed wire wrapped around it. At the bottom of the picture are the words "End the Siege on Press Freedom" (Schluss mit der Unterdrückung der Pressefreiheit). In der rechten oberen Ecke ist das Amnesty-Logo abgebildet.

Im Jahr 2022 haben Regierungsbehörden in Ost-und Südafrika ihre Maßnahmen gegen Journalist*innen und Pressefreiheit generell in der gesamten Region verschärft, resümieren das Media Institute of Southern Africa und Amnesty International anlässlich des Welttages der Pressefreiheit am 03. Mai. Anlass ist vor allem die Verhinderung von Veröffentlichungen über Korruption und Menschenrechtsverletzungen.

 

Es gibt einen besorgniserregenden Trend von Angriffen, Schikanen, Einschüchterungen und Kriminalisierung von Journalist*innen im gesamten östlichen und südlichen Afrika. Wir sehen, wie weit die Behörden gehen würden, um die Medien zum Schweigen zu bringen, wenn sie Korruptionsvorwürfe und Menschenrechtsverletzungen aufdecken

– Tigere Chagutah, Direktor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika

 

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in der gesamten Region gefährdet

In Äthiopien ist die Freiheit der Medien zunehmend unter Beschuss geraten. Im Jahr 2022 haben die Behörden landesweit mindestens 29 Journalist*innen und Medienmitarbeiter*innen verhaftet. Die tigrayanischen Behörden beschuldigten fünf Journalisten der “Kollaboration mit dem Feind”.  Im Mai 2022 verhaftete die Polizei Temesgen Desalegn, den Herausgeber des Magazins Feteh, und beschuldigte ihn anschließend, militärische Geheimnisse preisgegeben und Falschmeldungen verbreitet zu haben. Im November wurde er gegen eine Kaution von 30.000 ETB (etwa 500 Euro) freigelassen. Ebenfalls im Mai 2022 wiesen die Behörden Tom Gardner aus, einen Journalisten, der für die in Addis Abeba ansässige Abteilung des Economist gearbeitet hatte. Er war zuvor online von Regierungsanhänger*innen wegen seiner Berichterstattung über Äthiopien angefeindet worden.

Auch in der Demokratischen Republik Kongo wurden Journalist*innen bei der Ausübung ihrer Arbeit unablässig bedroht, eingeschüchtert, inhaftiert und sogar getötet, wobei die Täter*innen ungestraft bleiben. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter*innen ohne Grenzen für 2022 rangiert die Demokratische Republik Kongo auf Platz 125 von 180 und sogar nur auf Platz 161/180 beim Sicherheitsindikator (beide Plätze haben sich im Index für 2023 leicht gebessert). In ihrem im November 2022 veröffentlichten Bericht meldete die führende Organisation des Landes für Rechte von Journalist*innen des Landes, Journalistes En Danger, allein im vergangenen Jahr 124 Fälle von Angriffen auf Journalist:innen und Medienorganisationen. Dabei wurden ein Journalist getötet und zwei weitere entführt. 37 Journalist*innen wurden verhaftet, 18 weitere körperlich angegriffen und 17 Medienorganisationen oder -programme wurden zwangsgeschlossen oder suspendiert.  In der gesamten Demokratischen Republik Kongo sind derzeit ein Dutzend Journalist:innen inhaftiert oder in einem laufenden Strafverfahren im Zusammenhang mit ihrer Arbeit.

In Malawi verhaftete die Polizei im April 2022 den Investigativjournalisten Gregory Gondwe, weil er eine Reportage über Korruption innerhalb der Polizei im Zusammenhang mit der Beschaffung von Wasserwerfern im Wert von Millionen von US-Dollar veröffentlicht hatte. Gregory Gondwe wurde in diesem Fall ohne Verhandlung wieder freigelassen, ist jedoch weiterhin wegen Verbreitung illegaler Informationen im Netz gemäß Abschnitt 91 des Gesetzes über elektronische Transaktionen und Cybersicherheit von 2016 angeklagt. Bei einer Verurteilung drohen eine Geldstrafe von zwei Millionen malawischen Kwacha (etwa 1,800 Euro) oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.

 

Journalist*innen halten der Gesellschaft einen Spiegel vor. Sie zu verfolgen, nur weil sie ihre Arbeit machen, sendet ein fatales Signal: Es bedeutet, dass Staaten nicht bereit sind, die Menschenrechte zu schützen und dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden wollen

– Tabani Moyo, Regionaldirektor des Medieninstituts für das südliche Afrika.

 

In Mosambik waren mutmaßlich regierungskritische Journalist*innen Drohungen, Schikanen und Einschüchterungen ausgesetzt. Zwei nicht identifizierbare Männer bedrohten Armando Nenane, Journalist und Direktor der Zeitschrift Crónica Jurídica e Juduciária in Maputo, indem sie ihm eine scharfe Kugel in die Hand drückten. Die beiden Unbekannten gaben an, Anweisungen von Vorgesetzten zu befolgen. Der Vorfall ereignete sich, nachdem ein Gericht Armando Nenane vom Vorwurf der Dokumentenfälschung und Verleumdung, die der ehemaligen Verteidigungsminister gegen ihn erhoben hatte, freigesprochen worden war. Nach seinem Freispruch erstattete Armando Nenane wiederum Anzeige wegen Rufmord gegen den ehemaligen Minister sowie gegen Mitglieder des Geheimdienstes und der Spionageabwehr ein.

In Ruanda arbeiten Journalist*innen unter dem wachsamen Auge der Behörden und sind häufig mit Überwachung, Schikanen, Einschüchterung und strafrechtlicher Verfolgung aufgrund ihrer Arbeit konfrontiert. Amnesty International und andere Organisationen der Zivilgesellschaft forderten wiederholt eine unabhängige Untersuchung des Todes von John Williams Ntwali, einem der führenden Journalisten des Landes, nachdem dieser im Januar 2023 verstorben war.
Die Familie von John Williams Ntwali wurde am 19. Januar 2023 über seinen Tod informiert, als die Polizei seinen Bruder aufforderte, den Leichnam im Leichenschauhaus des Kacyiru-Krankenhauses zu identifizieren. Die Polizei gab an, dass er in den frühen Morgenstunden des 18. Januar bei einem Motorradunfall in Kimihurura, Kigali, ums Leben gekommen sei. Der Autofahrer, der seine Schuld am Unfall gestanden haben soll, wurde in einem Eilverfahren ohne unabhängige Prozessbeobachter*innen verurteilt. Der Mangel an Details im Urteil – keine genaue Angabe des Unfallortes, keine Erwähnung von Video- oder Fotobeweisen, vage Angaben im medizinischen Bericht – lässt vermuten, dass keine ernsthafte und gründliche Untersuchung stattgefunden hatte.

Ebenso befindet sich der Journalist Theoneste Nsengimana nach seiner Verhaftung im Oktober 2021 wegen “Verbreitung von Gerüchten, um Unruhe in der Bevölkerung zu stiften”, weiterhin widerrechtlich in Ruanda in Haft.

Im Juni verweigerte das Commonwealth-Sekretariat den Journalisten Benedict Moran und Anjan Sundaram die Akkreditierung für den Commonwealth-Gipfel 2022 in Kigali. Sie hatten zuvor Kritik an Präsident Kagame und seiner Regierung veröffentlicht. Das Sekretariat bestritt jegliche Einflussnahme durch die ruandische Regierung. Stattdessen hieß es, die Akkreditierung sei verweigert worden, weil die beiden nicht für “anerkannte Medien” arbeiteten.

Im Südsudan wurden neun Journalist*innen, die über eine Pressekonferenz der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung in Opposition (SPLM-IO) berichteten, im Juni 2022 kurzzeitig vom Nationalen Sicherheitsdienst NSS verhaftet. Dabei wurde ihre Ausrüstung beschlagnahmt und Tonaufnahmen sowie Fotos gelöscht. Dem NSS wird von den Vereinten Nationen Zensur vorgeworfen.

Auch in Somalia war das Recht auf freie Meinungsäußerung stark unter Druck geraten. Journalist*innen wurden mitunter von Sicherheitskräften angegriffen und waren regelmäßig Drohungen, Schikanen, Einschüchterungen, Stockschlägen, willkürlichen Verhaftungen und Strafverfolgung ausgesetzt. Neun Journalist*innen wurden 2022 verletzt und zwei Medienunternehmen von den Behörden Südwestsomalias vorübergehend zwangsgeschlossen.

Im Oktober erließ das somalische Informationsministerium eine Direktive, die die “Verbreitung extremistischer Ideologien sowohl über die herkömmlichen Medien als auch über soziale Medien” verbietet. Mehrere Aktivist*innen für die Medienfreiheit, darunter der Generalsekretär des somalischen Journalist*innenverbands, Abdalle Ahmed Mumin, äußerten öffentlich Bedenken. Sie befürchteten, dass die Direktive die Medienfreiheit und die Sicherheit von Journalist*innen gefährden könnte. Kurz darauf wurde Abdalle Mumin verhaftet und wegen mehrerer strafrechtlicher Vergehen angeklagt, darunter Anstiftung zum Rechtsbruch. Im Februar 2023 wurde er von einem Regionalgericht in Banadir wegen “Missachtung von Regierungsanordnungen” zu einer zweimonatigen Haftstrafe verurteilt. Er war über einen Monat lang im Zentralgefängnis von Mogadischu inhaftiert und wurde Ende März freigelassen.

 

Pressefreiheit ist eine Grundvoraussetzung für eine offene und transparente Gesellschaft. Wenn Behörden und Regierungsverantwortliche sich wirklich dem Aufbau einer Gesellschaft verpflichtet fühlen, in der die Menschenrechte geachtet werden und in der Regierungen ihrer Verantwortung gerecht werden, müssen sie zulassen, dass diese auch zur Rechenschaft gezogen werden dürfen und demzufolge aufhören, Journalist*innen einzuschüchtern und zu schikanieren. Denn ohne eine Presse, die frei berichten, hinterfragen und Menschen in Machtpositionen zur Verantwortung ziehen kann, wird es finster um eine Gesellschaft. Die Behörden müssen endlich aufhören, Journalist*innen und Medienorganisationen zu verfolgen, die einfach nur ihren Job machen.

Tabani Moyo, Regionaldirektor des Media Institute of Southern Africa

 

In Tansania schränkten die Behörden mithilfe repressiver Gesetzeserlasse die Freiheit der Medien weiter ein. Am 1. Juli sperrte die tansanische Kommunikationsregulierungsbehörde (TCRA) vorübergehend den Online-Dienst DarMpya, nachdem sie “Beschwerden […] gegen Inhalte von DarMpya” erhalten hatte. Dies bezog sich auf die Berichterstattung über Demonstrationen indigener Massai gegen die Pläne der tansanischen Regierung, sie in Zusammenarbeit mit Kenia von ihrem Land zu vertreiben. Im Juli wurde der kenianische Journalist Julius Kuyioni am 7. Juli auf dem Weg nach Loliondo verhaftet und wegen illegaler Einreise nach Tansania angeklagt. Seine Verhaftung steht im Zusammenhang mit den Anstrenungen der tansansichen Behören, jegliche Berichterstattung über die Proteste der Massai-Community in Liliondo zu unterbinden.

Auch in Simbabwe wurde die Einführung eines neuen Cyber- und Datenschutzgesetzes vom Dezember 2021 genutzt, die Pressefreiheit zu beschneiden. Journalist*innen werden allein aufgrund der Ausübung ihrer Arbeit eingeschüchtert und schikaniert. Zwischen August und September wurden bereits drei Journalist*innen auf der Grundlage des neuen Gesetzes verhaftet:

Zuerst wurden Wisdom Mdzungairi, der Chefredakteur von Alpha Media Holdings und Herausgeber der Zeitung NewsDay, und Desmond Chingarande, ein Chefreporter bei NewsDay im August 2022 in die Zentrale Polizeistation von Harare vorgeladen.
Sie wurden zu einer ihrer Veröffentlichungen verhört über ein Unternehmen, dessen Besitzer*innen mutmaßlich gute Beziehungen zur Regierung haben. Anschließend inhaftierten die Polizeibeamt*innen die beiden Journalisten wegen Verbreitung von “Falschnachrichten mit Schadensabsicht” und ließen sie erst nach der Zusage ihres Anwalts, dass sie bei Bedarf für weitere Befragungen zur Verfügung stünden, wieder frei.

Am 29. September 2022 wurde der freiberufliche Sportjournalist Hope Chizuzu auf Basis desselben Gesetzes verhaftet, nachdem Vorstandsmitglieder des Dynamos Football Club Anzeige gegen ihn wegen seiner Berichterstattung über den Verein erstattet hatten. Sein Handy und iPad wurden beschlagnahmt und von der Polizei für “weitere Ermittlungen” einbehalten. Er selbst kam noch am selben Tag wieder frei, nachdem ihn die Polizei verwarnt und ihm ein Gerichtsverfahren angedroht hatte.

 

Die Behörden und Regierungsverantwortlichen müssen ganz im Gegenteil ein positives Klima für Journalist*innen schaffen, in dem die Presse ohne Repressalien, Einschüchterungen und Inhaftierungen ihrer Arbeit nachgehen kann. Journalismus darf nicht kriminalisiert werden!

– Tigere Chagutah, Direktor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika

 

Seit August 2022 ist die Journalistin Floriane Irangabiye in Burundi inhaftiert. Ein burundisches Gericht hatte sie am 02. Januar 2023 zu zehn Jahren Haft und einer Geldstrafe in Höhe von einer Million Burundi-Franc (etwa 450 Euro) verurteilt. Sie wurde auf der Grundlage konstruierter Vorwürfe der “Gefährdung der Integrität des Staatsgebiets” für schuldig befunden. Hintergrund ihrer Verfolgung ist lediglich die friedlichen Wahrnehmung ihrer Menschenrechte sowie ihre Arbeit als Journalistin. Am 30. März 2023 fand vor dem Berufungsgericht von Mukaza in Bujumbura ihre Berufungsverhandlung statt, über die innerhalb von 30 Tagen entschieden werden muss.

Im März 2022 lösten die Ordnungskräfte eine Pressekonferenz auf, die von den zivilgesellschaftlichen Organisationen „Mit Wort und Tat für Bewusstseinsbildung und Mentalitätsentwicklung“ (PARCEM) und der „Beobachtungsstelle für Korruptionsbekämpfung und Misswirtschaft“ (OLUCOME) organisiert worden war. Während der Konferenz hatten Teilnehmer*innen die Maßnahmen des Innenministeriums zum Verbot von Fahrrädern, Dreirädern und Motorrädern in der Innenstadt von Bujumbura angeprangert.

 

Lies den Originalbericht hier: East and Southern Africa: Attacks on journalists on the rise as authorities seek to suppress press freedom
Mehr Infos über das Südliche Afrika findest du hier bei der Kogruppe Südliches Afrika