Im Vorfeld der Sitzung des Friedens- und Sicherheitsrates der Afrikanischen Union (African Union Peace and Security Council, AUPSC)) zum Südsudan am 30. November haben Amnesty International und die südsudanesische Arbeitsgruppe für Übergangsjustiz (Transitional Justice Working Group, TJWG) die Afrikanische Union aufgefordert, die Einrichtung des Hybrid-Gerichtshofs für den Südsudan (Hybrid Court for South Sudan, HCSS) zu beschleunigen.
Das AUPSC muss die Kommission der Afrikanischen Union auffordern, dafür zu sorgen, dass es einen wirksamen Rechtsmechanismus gibt, um schwere Menschenrechtsverletzungen und -missbräuche im Südsudan zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, darunter die vorsätzliche Tötung von Zivilisten, Vergewaltigung und andere sexuelle Gewalt, Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten und Vertreibung.
“Die Einrichtung des Gerichtshofs ist eine einmalige Gelegenheit für die AU, ihre Führungsrolle unter Beweis zu stellen und eine von Afrika geführte Lösung für die schwersten Verbrechen auf dem Kontinent anzubieten. Dies würde ein echtes Bekenntnis zu den Grundsätzen der Organisation demonstrieren und zeigen, dass die AU an der Seite der Überlebenden und Opfer von Verbrechen steht, für die Straflosigkeit nicht toleriert werden kann”, sagte Muleya Mwananyanda, Direktor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika.
Amnesty International und südsudanesische Partnerorganisationen in der Arbeitsgruppe für Übergangsjustiz haben heute ein Briefing veröffentlicht, in dem sie die Kommission der Afrikanischen Union auffordern, den Gerichtshof einzurichten, der Teil eines Friedensabkommens ist, dass von der Regierung und den Oppositionellen im August 2015 und erneut im September 2018 unterzeichnet wurde.
“Die Einrichtung dieses Gerichtshofs hätte nicht so lange hinausgezögert werden dürfen. Die AU muss die lang erwarteten Maßnahmen einleiten und entschlossen handeln. Das Versäumnis, den Hybridgerichtshof einzurichten, spiegelt den mangelnden politischen Willen der südsudanesischen Regierung wider, die Hauptverantwortlichen für schwere Verbrechen, zu denen wahrscheinlich auch hochrangige politische und militärische Beamte gehören, zur Rechenschaft zu ziehen”, sagte Muleya Mwananyanda.
Amnesty International und die Transitional Justice Working Group sind der Ansicht, dass die Afrikanische Union (African Union, AU) den Hybridgerichtshof für den Südsudan einseitig einrichten kann und sollte.
Wir empfehlen daher, dass die Kommission der Afrikanischen Union sich umgehend darum bemüht und im Einklang mit den Friedensabkommen das Statut des Gerichtshofs fertigstellt. Darin sollte das Mandat des Gerichts bestätigt werden, gegen Personen zu ermitteln und sie strafrechtlich zu verfolgen, die eines Verbrechens nach internationalem Recht verdächtigt werden. Das Statut sollte außerdem die Unabhängigkeit des HCSS garantieren und bestätigen, dass der Gerichtshof nicht durch Verjährungsfristen oder die Gewährung von Begnadigungen, Immunitäten oder Amnestien durch die südsudanesischen Behörden oder eine andere Behörde behindert oder eingeschränkt werden kann.
Die Zugänglichkeit des HCSS für die südsudanesische Bevölkerung und Pläne zur Gewährleistung eines dauerhaften Vermächtnisses des HCSS im Südsudan müssen ausdrücklich in der Satzung des Gerichtshofs verankert werden.
Die AU-Kommission sollte auch die Gespräche mit potenziellen Gaststaaten wieder aufnehmen, um den Sitz des Gerichts zu bestimmen.
“Angesichts der mangelnden Bereitschaft der südsudanesischen Regierung, Täter vor Gericht zu stellen, und des fehlenden Opfer- und Zeugenschutzes sind Amnesty International und die Transitional Justice Working Group der Ansicht, dass der Hybridgerichtshof vorerst nicht im Südsudan eingerichtet werden sollte. Der Gerichtshof muss in einem anderen afrikanischen Staat angesiedelt werden, aber sein Statut sollte die Möglichkeit vorsehen, Anhörungen im Südsudan abzuhalten oder den Gerichtshof in Zukunft in den Südsudan zu verlegen, sobald die Situation vor Ort dies zulässt”, sagte James Ninrew, Vorsitzender der Transitional Justice Working Group.
Amnesty International und die TJWG empfehlen der Kommission der Afrikanischen Union, Personal in Schlüsselpositionen zu finden und einzustellen, das bereits vor der vollständigen Einrichtung des Gerichtshofs arbeiten kann. Dazu sollten auch Ermittlungsbeamte gehören, da die Sammlung und Sicherung von Beweisen eine Priorität darstellt.
HINTERGRUND
Der Hybridgerichtshof für den Südsudan ist ein von der AU geführtes hybrides Gericht, das das Mandat haben wird, gegen Personen zu ermitteln und sie strafrechtlich zu verfolgen, die für die schweren Verbrechen verantwortlich sind, die seit dem 15. Dezember 2013 im Südsudan begangen wurden – darunter die vorsätzliche Tötung von Zivilisten, Vergewaltigung und andere sexuelle Gewalt, Zwangsrekrutierung von Kindern, Zwangsvertreibungen und andere Verbrechen.
Die Entscheidung, den Hybridgerichtshof einzurichten, wurde im Rahmen des 2015 von der Regierung des Südsudan und der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung/Armee in der Opposition (Sudan People’s Liberation Movement/Army-In Opposition, SPLM/A-IO) unterzeichneten Friedensabkommens getroffen und im September 2018 durch das erneuerte Friedensabkommen (R-ARCSS) bekräftigt.
Derzeit gibt es für südsudanesische Opfer des Konflikts keinen anderen Weg der Gerechtigkeit, das HCSS ist die einzige Hoffnung.
Die bestehenden Gerichte sind weder unabhängig noch unparteiisch genug und verfügen nicht über die notwendigen Kapazitäten, um sich mit den meisten Völkerrechtsverbrechen zu befassen, derer die Machthaber mutmaßlich verdächtigt werden, wie Amnesty International bereits dokumentiert hat, während der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) nicht zuständig ist (Südsudan hat das Römische Statut nicht ratifiziert und der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Situation nicht an den IStGH verwiesen)..
Hier geht es zur original englischen Pressemeldung:African Union must establish court for South Sudan | Amnesty International