Somalia: Kein Platz für Vertriebene

Die Situation von Binnenvertriebenen in Somalia

Das Scheitern des von der somalischen Regierung Anfang 2013 beschlossenen Umsiedlungsplans führt insbesondere in Mogadischu zu einer Verschärfung der Situation der Binnenvertriebenen.

Hintergrund

Nach UNHCR Angaben gibt es mehr als eine Million Binnenvertriebene in Somalia, davon leben nach Schätzungen 369.000 in Mogadischu. Allein im August wurden nur durch Zwangsräumungen von Lagern 3.600 Menschen vertrieben. Im Januar 2013 entwarf die Regierung einen Plan zur Umsiedlung mehrerer Lager für Binnenvertriebene, um Sicherheitsbedenken zu begegnen, die Stadtentwicklung voranzutreiben sowie die Rückkehr von Binnenvertriebenen in ihre Herkunftsorte vorzubereiten. Ursprünglich sollte dieser Plan bis zum 20. August 2013 umgesetzt sein. Seine Ausführung scheiterte, was zu Zwangsräumungen von Lagern führte, ohne dass den Bewohnern ein neuer Platz zugeteilt wurde.

Allgemeine Sicherheitssituation in den Lagern

Trotz Verbesserungen bleibt die Sicherheitslage in der Hauptstadt Mogadischu angespannt. Im Laufe dieses Jahres kam es wieder vermehrt zu Anschlägen. Al-Shabaab konnte aus wichtigen Städten vertrieben werden, kontrolliert aber immer noch weite Teile des Landes außerhalb der Städte. Die somalischen Streitkräfte sind weiterhin stark auf die Mission der Afrikanischen Union (AMISOM) angewiesen und unfähig, Zivilisten wirksam vor Anschlägen zu schützen. Die Lager in der Hauptstadt sind überbevölkert und durch hohe Kriminalitätsraten gekennzeichnet. Insbesondere Frauen und Mädchen leiden unter der schlechten Sicherheitssituation. Nach Angaben der Vereinten Nationen kam es 2012 in den Flüchtlingslagern zu mindestens 1.700 Fällen von Vergewaltigungen.

Zwangsräumungen

Bereits 2012 kam es zu Zwangsräumungen von Lagern für Binnenvertriebene sowohl durch die Regierung als auch Privatleute. Mit Bekanntgabe des Regierungsplans zur Umsiedlung Anfang 2013 nahmen die Räumungen zu. Im August wurden mehrere der Lager für Binnenvertriebene zwangsgeräumt, so im Hodan- und Warberi-Viertel. Dabei wendeten die Sicherheitskräfte Gewalt an und töteten mehrere Personen. Das von der Regierung im Rahmen des Umsiedlungsplans neu geplante Lager für Binnenvertriebene im Daynille-Viertel Mogadischus wurde nie fertig gestellt, sodass keine Umsiedlung stattfinden konnte. Die Regierung hat den von der Umsiedlung betroffenen Binnenvertriebenen aber auch kein anderes Gelände zur Verfügung gestellt. Die meisten der Vertriebenen sind in den Afgooye Corridor außerhalb Mogadischus gezogen und haben dort ohne Unterstützung durch die Regierung Siedlungen errichtet. Sie sehen diese Gegend als sicherer als das Gelände in Daynille oder andere ihnen vorgeschlagene, bereits bestehende Lager in Mogadischu an. Allerdings ist auch im Afgooye Corridor der Einfluss der Regierung gering und al-Shabaab sowie weitere bewaffnete Milizen sind präsent.

Die Versorgungssituation

Seit vielen Jahren erschweren so genannte „gatekeeper“ internationale humanitäre Hilfe in Somalia. Gatekeeper sind einflussreiche Individuen, meist aus den herrschenden Clans, die die Rolle von Lagermanagern einnehmen und Hilfslieferungen kontrollieren. Viele Binnenvertriebene berichten, dass sie große Mengen der erhaltenen Hilfsmittel abgeben müssen. Zum Teil müssen sie die erhaltenen Nahrungsmittel auch als Ganzes an die gatekeeper weiterleiten. Im Gegenzug erhalten sie Geld, wobei die Summe deutlich geringer als der Wert der Nahrungsmittel ist. Eine von der Regierung gut geplante und durchgeführte Umsiedlung der Vertriebenen hätte dieses System durchbrechen können. Stattdessen könnten das Scheitern des Regierungsplans und die daraus resultierende Hilflosigkeit vieler Binnenvertriebener die Rolle der gatekeeper weiter stärken. Einige gatekeeper haben Land im Afgoyee Corridor erworben oder gepachtet und Binnenvertriebenen zur Verfügung gestellt. Zweck ist es, die Kontrolle über die Binnenvertriebenen und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Vorteile zu erhalten. In den Gebieten, in die die Binnenvertriebenen nun gezogen sind, ist der Zugang für internationale Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage beschränkt. Zudem war die Regierung während der Planungen für ein Lager in Daynille zurückhaltend, Hilfstätigkeiten in der Gegend zu erlauben. Zwar sind lokale Organisationen vor Ort, allerdings haben sie nicht die Kapazitäten, alle neu Hinzugezogenen zu versorgen. Es wird geschätzt, dass sich etwa 20.000 Binnenvertriebene dort aufhalten, mit weiteren wird gerechnet.

Weitere Informationen enthalten die Berichte von Amnesty International No place for the displaced – forcible eviction of displaced communities, AI Index AFR 52/010/2013 und Mogadishu cannot qualify as an Internal Flight Alternative, AI Index AFR 52/012/2013