Landesinformationen: Südsudan

Allgemeine Informationen

  • Tag der Unabhängigkeit: 9 Juli 2011
  • Amtliche Bezeichnung: Republik Südsudan
  • Hauptstadt: Dschuba (über 500.000 Einwohner)
  • Landessprache:
    • Englisch (gem. Übergangsverfassung als einzige offizielle Amtssprache und Unterrichtssprache)
    • alle einheimischen Sprachen sind ebenfalls als Landessprachen anerkannt
    • Dschuba-Arabisch wird in großen Teilen des Landes als Verkehrssprache gesprochen.
  • Staatsoberhaupt: Salva Kiir Mayardit
  • politisches System: Zwei-Kammer-Parlament
    • National Legislative Assembly (Unterhaus) mit 400 Sitzen und Council of States(Oberhaus) mit 50 Sitzen
    • Parlamentsmitglieder werden teilweise direkt gewählt oder vom Staatspräsidenten ernannt
  • Lage: ist ein Binnenland, es grenzt an Äthiopien, Kenia, Uganda, die Demokratische Republik Kongo, die Zentralafrikanische Republik und Sudan
  • Fläche: 619.000 bis 644.000 qkm
  • Einwohner: 11,3 Millionen
  • Religionen:überwiegend Christentum (Katholiken, Anglikaner, Protestanten) sowie lokale Religionen und Islam

Quelle: Auswärtiges Amt; Überblick Südsudan

Geschichte und jüngste politische Entwicklung:

Der Südsudan ist der jüngste Staat der Welt und wurde am 9. Juli 2011 für unabhängig vom (Nord-) Sudan erklärt. Die Geschichte des Südsudan (Früh- sowie neuere Geschichte) ist vorrangig aus der Sicht des Nordens geschrieben. Über die Vor- und Frühgeschichte des Südsudan ist wenig bekannt. Ostafrika gilt als Wiege der Menschheit, somit geht man davon aus, dass die Region recht früh besiedelt wurde.
Durch die ständigen Bürgerkriege im Land, konnten kaum Ausgrabungen und Forschungen statt finden. Ende der 70er und Anfang der 80er Jahren wurden bei Ausgrabungen Belege für eine Besiedelung von vor mehreren Tausend Jahren gefunden. Ab circa 3000 v. Chr. Entwickelte sich im nördlichen Sudan das nubische Reich, dass sich bis in den Süden ausbreitete. Von Ende des 15. Jahrhundert bis zur Kolonisierung im 19. Jahrhundert waren die Shilluk im Sudan ansässig. Im schwerer zugänglichen Sumpfgebiet des Sudan siedelte sich die Volksgruppe der Dinka an.

1820 – 21 wurde ein Großteil des Sudan von den Truppen des osmanischen Herrschers Mohamed Ali, über Ägypten erobert. Gegen Ende dieser Herrschaft kamen die ersten britischen Missionare aus Kenia in den Sudan. 1881 brach im Nordsudan die Mahdi-Bewegung aus. Mahdi (Mohamed Ahmed) ernannte sich selbst zum religiösen Führer und einte hinter sich zersplitterte Gruppen und Stämme. In der (nord-) sudanesischen Geschichte gilt er als Begründer des muslimischen-sudanesischen Nationalismus. 1885 besiegten die Mahdisten die britisch- ägyptischen Truppen. Die Mahdi-Bewegung sprang nicht auf den Süden des Landes über und schnitt ihn langsam vom Norden ab. Um 1896 erhob Frankreich Anspruch auf Gebiete im Südsudan. Der nördliche und südliche Teil vom Sudan wurden von nun an separat verwaltet.

Von 1956 bis 2005 herrschten Bürgerkriege im ganzen Land. Ab 1955 gab es bewaffnete Aufstände bezüglich der Bedingungen und Chancen des zukünftigen Staates und sollte 1956 in die Unabhängigkeit entlassen werden. Ende 1955 formierten sich südsudanesische Rebellen unter dem Namen „Anya Nya“ zum bewaffneten Kampf für regionale Autonomie. Die Bürgerkriege gingen bis zum Frieden von Addis Abeba von 1972, bei dem auch der Autonomiestatus des Südsudan erzielt wurde.

Am 1. Januar 1956 wurde die sudanesische Unabhängigkeit ausgerufen. Die Kämpfe gingen bis zum kurzen Frieden von 1972 – 1983. 1983 erklärte Präsident Nimeiri den Sudan zum islamischen Staat und führte das Shari`a Recht ein. Der Autonomiestatus des südlichen Teil des Landes wurde aufgehoben. Daraufhin folge einer der längsten und blutigsten Bürgerkriege Afrikas. Im Jahr 2005 wurde nach langen Verhandlungen ein Friedensabkommen – auf Grund internationalen Drucks – geschlossen. Der Südsudan erklärte seine Unabhängigkeit nach einem Referendum am 9. Juli 2011 unter Präsident Salva Kiir Mayardit und wurde der 54. Staat Afrikas.

Politischer Hintergrund:

Im März 2012 fanden schwere Menschenrechtsverletzungen (außergerichtliche Hinrichtungen, Gewalt an der Bevölkerung, simuliertes Ertränken, sexuelle Gewalt, Plünderungen) bei der Kampagne zur Entwaffnung der Zivilbevölkerung “Operation Restore Peace” statt. Im Dezember 2013 begann eine gewaltsame Eskalation des Machtkampfs zwischen Präsident Salva Kiir und Ex- Vizepräsident Riek Machar (wurde des Putschversuchs beschuldigt). Daraus folgte der Einsatz von United Nations Mission in the Republic of South Sudan (UNNMISS) und ugandischen Truppen zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur Umsetzung des Friedensabkommens.

Ab Januar 2014 gab es immer wieder Friedensbemühungen durch die Intergovermental Authority on Development (IGAD) in Addis Abeba, die jedoch scheiterten. Am 26. August 2015 wurde ein Waffenstillstandsabkommen durch die Regierung des Südsudan in Juba unterzeichnet. Dieses beinhaltete eine Machtteilung, die Einrichtung eines Hybridsgerichts – zur Verfolgung von Kriegsverbrechen durch die Kommission der Afrikanischen Union sowie die Einrichtung einer Wahrheits- und Aussöhnungskommission. Trotzt wiederholtem Bruch der Waffenruhe blieb das Abkommen bestehen. Am 3. November 2015 wurde durch die Regierung und die Sudan People`s Liberation Army (SPLA)/Sudan People`s Liberation Army – In Opposition (SPLA-IO) eine Vereinbarung bezüglich einer dauerhaften Waffenruhe und Vereinbarung zu den Übergangssicherheitsbestimmungen (z. B. Entmilitarisierung der Hauptstadt Juba) unterzeichnet. Im Dezember 2015 wurde durch den UN- Sicherheitsrat das Mandat der UNMISS im Südsudan verlängert. Es kam immer wieder zu Kämpfen und Gewaltausbrüchen gegen die Zivilbevölkerung. Als Beispiel anzuführen wäre die bewaffnete Auseinandersetzung am 17. und 18. Februar 2016 in Malakal (Schutzort der Vereinten Nationen für Zivilpersonen), wo Regierungssoldaten in den Schutzort eindrangen und sich an den Kämpfen beteiligten.

Im April 2016 wurde die Übergangsregierung vereidigt. Wobei es am 8. Juli 2016 zu einem Schusswechsel zwischen den Leibwächtern von Präsident Salva Kiir und Vizepräsident Riek Machar vor dem Präsidentenpalast in Juba kam. Daraufhin lieferten sich die Einheiten der Regierung und der Opposition, am 10. und 11. Juli 2016, in Juba heftige Kämpfe. Salva Kiir ersetzte Riek Machar durch Taban Deng Gai, was der frühere Vizepräsident nicht akzeptierte und was zu einer Spaltung der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung/- Armee in Opposition führte. Daraus resultierte eine Welle der Gewalt (Tötung von Zivilisten, Plünderungen und willkürliche Inhaftierungen) in den Bezirken Lainya, Yei, Kajo- Keji, Morobo und Maridi.

2017 bildeten sich neue Oppositionsgruppen, darunter die National Salvation Front unter General Thomas Cirillo Swaka. Von August bis November 2017 wurden wieder Friedensgespräche durch die Intergovermental Authority on Development (IGAD) aufgenommen, die zu der Unterzeichnung einer Vereinbarung über die Einstellung der Feindseligkeiten am 21. Dezember 2017 führte. Kurz darauf flammten erneut Kämpfe in der Region um Yei auf. Seitdem hat sich die Lage im Südsudan nicht elementar verbessert. Im März 2018 verlängerte die UN den Einsatz der Commision on Human Rights in South Sudan um ein Jahr.

  Nachdem der Termin für die Bildung einer Übergangsregierung zwischen Regierung und Opposition zweimal verschoben wurde, haben sich Präsident Salva Kiir und der Oppositionsführer Riek Machar am 22.2.2020 auf eine Übergangsregierung geeinigt. Riek Machar wurde erneut erster Vizepräsident. Zuvor waren sich beide uneinig über die geplante Anzahl an Bundesstaaten. Es wird voraussichtlich 10 Bundesstaaten und 3 administrative Zonen (Pibor, Ruweng, Abyei) geben. Die bisherige Regierung wurde von Präsident Kiir aufgelöst und am 13.3.2020 das neue Kabinett bekannt gegeben. Es besteht aus 34 Vertreter_innen aus bisheriger Regierung und Opposition. Kiir hat versprochen, das der Anteil an Frauen in öffentlichen Ämtern bei mindestens 35 % liegen soll. Die nächsten geplanten Neuwahlen werden in drei Jahren sein. Bisher gibt es keine Verhandlungen zur Reformierung des Sicherheitsapparates und zur Einrichtung eines unabhängigen Justizsystems.

Amnesty zur Lage der Menschenrechte:

Der Südsudan befindet sich immer noch in einer Übergangszeit des Friedensabkommen zwischen der Regierung von Salva Kiir und den gegnerischen bewaffneten Bewegungen und der politischen Opposition. 2018 wurden Journalisten, Vertreter von NGOs und Aktivisten verhaftet und verblieben ohne Anklage im Gefängnis. Die Vereinten Nationen verhängten im Jahr 2018 ein Waffenembargo und stellten 8 Personen aus Regierung und Opposition unter Sanktionen. Es befinden sich mehr als 5 Millionen Südsudanesen auf der Flucht. Die humanitäre Situation wird immer schlechter und über 60% der Bevölkerung ist von akuter Nahrungsmittelunsicherheit bedroht. Militär und Milizen erschweren oder verhindern den Zugang von Hilfslieferungen. Seit 2013 wurden mehr als 112 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet und mehr als 117 verhaftet.
Im Südsuden ist eine Situation von sexualisierter Gewalt (Vergewaltigung von Mädchen, Frauen und Jungen), Massenmorde, ein erschreckendes Gewaltausmaß an Kindern, Rekrutierung von Kindersoldaten trotzt unterzeichnetem Friedensvertrag vorzufinden. Menschenrechtsverletzungen sind im Südsuden bis heute vorhanden.

Situation von Flüchtlingen:

  • seit Beginn des Konfliktes 2013: mehr als 3,9 Mio. Menschen (ca. ein Drittel der Bevölkerung) vertrieben; 1,9 Mio. Binnenvertriebene
  • 2017: mehr als 640.000 Menschen flohen außer Landes
  • die meisten Geflüchteten leben in den Nachbarländern (Uganda, Äthiopien und Kenia): 1 Mio. Menschen sind in Uganda untergekommen
  • Hilfsorganisationen wurde der Zugang zu Flüchtlingslagern verweigert
  • 250.000 Flüchtlinge im Südsudan, zum Großteil aus dem Sudan
  • Viele Flüchtlinge aus dem Sudan leben im Südsudan (in Lagern an der Grenze) und werden durch den aktuellen Konflikt im Südsudan nun erneut vertrieben

Hauptforderungen von Amnesty International:

  • UN-Waffenembargo für ganz Sudan (bislang nur Darfur) und Südsudan
  • Uneingeschränkter humanitärer Zugang
  • Waffenstillstand erfordert unabhängige Überwachung
  • Versöhnungsprozess unter Einbindung Zivilgesellschaft und Untersuchungskommission
  • Täter unterschiedslos zur Rechenschaft ziehen
  • Waffenembargo durch UN-Sicherheitsrat
  • die Deutsche Bundesregierung muss ihren Beitrag erhöhen
  • Gesicherte humanitäre Korridore einrichten (Druck über IGAD/AU)
  • Entbindung UNMISS-Schutzmandat für Zivilbevölkerung und humanitäre Hilfe von Abstimmungsgebot mit südsudanesichen Behörden

Bericht zur Menschenrechtslage aus dem Jahresbericht 2020/2021:

Tausende Menschen flüchteten vor Kämpfen und suchten Zuflucht in den Nachbarstaaten des Südsudans. Im ganzen Land kam es 2020 vermehrt zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen, Clans und Subclans. Vor allem im Süden des Landes gab es immer noch vereinzelt Zusammenstöße zwischen den Parteien des bewaffneten Konflikts. Alle Konfliktparteien waren für schwere Verstöße gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht verantwortlich. Dazu gehörten auch die Tötung von Zivilpersonen, die Rekrutierung und der Einsatz von Kindersoldat_innen sowie sexualisierte Gewalt. Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen blieb auch 2020 die Norm. Die Sicherheitskräfte nahmen nach wie vor tatsächliche und mutmaßliche Gegner_innen der Regierung und andere Kritiker_innen willkürlich fest und inhaftierten sie. Auch 2020 kam die Regierung ihrer Pflicht, das Recht auf Gesundheit zu achten und zu schützen, nicht nach.

Hintergrund Die Unterzeichner des neu aufgelegten Friedensabkommens von 2018 hatten Ende 2020 noch kein Parlament eingerichtet. Dies führte dazu, dass sich die Verabschiedung entscheidender Gesetze verzögerte. Des Weiteren hatten die Unterzeichner keine Schritte zur Änderung wichtiger Gesetze wie dem Gesetz über den Geheimdienst (National Security Service Act) von 2014 unternommen. Den Bemühungen für eine Reform der Sicherheitsdienste war kein Erfolg beschieden. Einer der Gründe war, dass der Geheimdienst (National Security Service – NSS), der am besten ausgerüstete Sicherheitsdienst im Land und einer der Hauptakteure der Repression, in den Prozess nicht einbezogen wurde. Im Februar 2020 begannen die Parteien mit der Bildung der neuen Übergangsregierung der nationalen Einheit. Anders als im Friedensabkommen vereinbart, sorgten sie jedoch nicht für eine Frauenquote in der Exekutive von 35 Prozent. Als die Nachbarstaaten im März 2020 die ersten Covid-19-Fälle bestätigten, verhängte die Regierung eine nächtliche Ausgangssperre und Reisebeschränkungen. Außerdem verbot sie gesellige Zusammenkünfte und schloss die Bildungseinrichtungen. Im April 2020 wurden Beweise über neue Importe von Kleinwaffen und Munition publik. Die Importe verstießen gegen das vom UN-Sicherheitsrat 2018 verhängte Waffenembargo, das im Mai um ein weiteres Jahr verlängert wurde. Im September begann die UN-Friedenstruppe UNMISS mit dem Abzug aus drei ihrer Lager zum Schutz der Zivilbevölkerung, in denen seit Ausbruch des Konflikts 2013 mehr als 40.000 Vertriebene Zuflucht gefunden haben. Im Oktober nahmen die Regierung und bewaffnete Gruppen, die das Friedensabkommen von 2018 nicht unter[1]zeichnet haben, die Friedensgespräche wieder auf. Die Gespräche waren zum Teil aufgrund der Pandemie unterbrochen worden.

 Rechte von Flüchtlingen und Asylsuchenden Nach Angaben der Vereinten Nationen führte der bewaffnete Konflikt im Jahresverlauf zur Vertreibung von mehr als 38.100 Zivilpersonen, von denen mindestens 17.000 nach Äthiopien, in den Sudan oder nach Uganda flüchteten. Da Uganda wegen eines Covid-19-Ausbruchs seine Grenzen vom 20. März bis 1. Oktober 2020 geschlossen hatte (siehe Länderkapitel zu Uganda), saßen Hunderte Menschen, die in Uganda Schutz suchen wollten, im Grenzgebiet fest. Sie lebten in behelfsmäßigen Behausungen, ohne Nahrung, angemessene Unterkünfte, medizinische Versorgung und sauberes Wasser. Nach Angaben der Vereinten Nation kehrten etwa 110.000 Flüchtlinge in den Südsudan zurück.

Recht auf Leben Im ganzen Land nahmen Auseinandersetzungen, darunter auch Viehdiebstähle, zwischen ethnischen Gruppen, Clans und Subclans zu. Es hieß, dass sich an den Kämpfen auch Angehörige bewaffneter Gruppen und der Streitkräfte beteiligten. Nach Angaben der UN-Kommission für die Menschenrechte in Südsudan kamen die Waffen von staatlichen Akteuren. In Berichten des UN-Generalsekretärs hieß es, dass bei bewaffneten Zusammenstößen mindestens 600 Menschen getötet und etwa 450 verletzt wurden. Hunderttausende wurden demnach vertrieben und hatten keinen Zugang zu geeigneten Unterkünften, Nahrung, Wasser oder Gesundheitsversorgung. Präsident Salva Kiir setzte im Juni 2020 einen hochrangigen Ausschuss zur Untersuchung der Sicherheitslage im Bundesstaat Jonglei und im Verwaltungsbezirk Groß-Pibor ein, der vor allem Wege zur Eindämmung der Gewalt suchen soll.

Rechtswidrige Tötungen Vor allem im Süden des Landes hielten die Kämpfe zwischen den Konfliktparteien an. Angehörige der Streitkräfte verübten schwere Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Kriegsverbrechen. Sie töteten Zivilpersonen, begingen sexualisierte Gewaltakte, plünderten die Habe von Zivilpersonen, brannten Ortschaften nieder und zerstörten Privateigentum und Gebäude. Viele Ortschaften wurden dadurch unbewohnbar, weshalb die durch die Kämpfe vertriebenen Einwohner_innen nicht in ihre Häuser zurückkehren konnten.

Kinderrechte Im März 2020 schloss die Regierung die Schulen, um die Verbreitung von Covid[1]19 einzudämmen, und öffnete sie erst im Oktober 2020 wieder. Das bedeutete, dass es für mehr als 2 Mio. Minderjährige keine Schulbildung sowie keine Schulspeisungen und keine von der Schule organisierten Gesundheitsprogramme gab. Nach Angaben der Vereinten Nationen mussten zu dieser Zahl noch die 2,4 Mio. Minderjährigen hinzugerechnet werden, die bereits vor der Pandemie keine Schule besucht hatten. Von Dezember 2019 bis Dezember 2020 dokumentierte die Task Force der Vereinten Nationen für Überwachung und Berichterstattung betreffend Kinder und bewaffnete Konflikte 133 schwerwiegende Verstöße gegen die Kinderrechte durch bewaffnete Gruppen und Sicherheitskräfte, so auch die Zwangsrekrutierung von Kindern und ihr Einsatz in Kampfhandlungen oder in unterstützenden Funktionen als Träger_innen, Köch_in nen und Spion_innen. Die Arbeitsgruppe berichtete auch von Fällen in den Kinder getötet, verstümmelt, entführt oder vergewaltigt wurden. Durch explosive Kampfmittelrückstände starben mindestens 28 Minderjährige, zwei wurden verstümmelt. Die UN dokumentierten, dass bei Kämpfen zwischen ethnischen Gruppen im Bundesstaat Jonglei mindestens 16 Minderjährige getötet, etwa neun verwundet und mindestens 194 verschleppt wurden.

Kindersoldat_innen Das gesamte Jahr 2020 über wurden in den Reihen bewaffneter Oppositionsgruppen und in der Präsidentengarde Kindersoldat_innen entdeckt. Im Februar 2020 unterzeichneten die Regierung und die Vereinten Nationen den Umfassenden Aktionsplan zur Beendigung und Verhütung aller schweren Rechtsverletzungen an Kindern. Auch einige Oppositionsgruppen verpflichteten sich diesem Ziel. Von Februar bis Mai 2020 vermittelte die UN-Task Force die Befreiung von 54 Jungen und drei Mädchen aus den Reihen bewaffneter Gruppen und der Sicherheitskräfte der Regierung.

 Geschlechtsspezifische Gewalt Von Dezember 2019 bis Dezember 2020 dokumentierte die UNMISS 79 Vorfälle konfliktbezogener sexualisierter Gewalt, einschließlich Gruppenvergewaltigungen, Vergewaltigungen, sexueller Versklavung und erzwungener Nacktheit. Die Verantwortlichen kamen aus den Reihen der Regierungseinheiten, bewaffneter Gruppen und ethnischer Milizen. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppen im Bundesstaat Jonglei wurden nach UN[1]Angaben mindestens 74 Frauen getötet. Etwa neun Frauen wurden verwundet und ungefähr 224 verschleppt. Im Bundesstaat Western Equatoria ließ die stärkste bewaffnete Oppositionsgruppe 47 Frauen und 26 Kinder, darunter zwölf Mädchen, im Januar 2020 frei. Geschlechtsspezifische Gewalt kam jedoch auch abseits von Konfliktsituationen sehr häufig vor. Der Sender Eye Radio berichtete im Mai 2020, dass in der Hauptstadt Juba drei Männer ein achtjähriges Mädchen aus dem Haus seiner Mutter, die sie mit einer Schusswaffe bedrohten, entführten. Die drei Männer vergewaltigten das Mädchen und legten das bewusstlose Kind vor dem Haus seiner Mutter ab. Die NGO Save the Children erklärte, dass Gewalt gegen Mädchen und Schwangerschaften von Minderjährigen seit der Schließung der Schulen zugenommen haben. Im Juli 2020 berichtete ein Medienkanal, dass im Bezirk Cueibet (Bundesstaat Lakes) zwei Mädchen, von denen eines 15 Jahre alt war, von männlichen Verwandten tot[1]geschlagen wurden, da die Familien die Schwangerschaften der Mädchen nicht akzeptierten. Der Fall des 15 Jahre alten Mädchens wurde vor das Hohe Gericht gebracht. Vier Tatverdächtige saßen in Untersuchungshaft. Früh- und Zwangsehen waren im Südsudan an der Tagesordnung und wirkten sich auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit von Frauen und Mädchen aus. Medien berichteten im Juli 2020, dass ein Soldat in der Stadt Aweil im Nordosten des Landes eine 19-jährige Frau tötete, weil sie ihn nicht heiraten wollte. Ein Hohes Gericht in Aweil verurteilte ihn im September 2020 zum Tode. Der Verurteilte wurde in das Zentralgefängnis der Stadt Wau überstellt. Laut Angaben des UN-Bevölkerungsfonds war fast die Hälfte der 18-jährigen Mädchen verheiratet. Die Polizei setzte im März 2020 einen nationalen Ausschuss ein, der die Umsetzung ihres Aktionsplans zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt beaufsichtigen soll.

Straflosigkeit Abgesehen von einigen Gerichtsverfahren, in denen Fälle sexualisierter Gewalt behandelt wurden, gingen völkerrechtliche Verbrechen auch 2020 straflos aus. Die Opfer hatten keine Möglichkeit, Wiedergutmachung auf dem Rechtsweg zu erlangen, und wurden weder medizinisch noch psychosozial betreut. Im Juni 2020 ernannte Präsident Salva Kiir den früheren Kommandanten einer bewaffneten Oppositionsgruppe zum Gouverneur des Bundesstaats Western Equatoria, der von den UN als Verantwortlicher für weitverbreitete sexualisierte Gewalt im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt angesehen wird. Im selben Monat verurteilten Gerichte der Zivilbehörden in den Städten Kuacjok und Wau nach UN-Angaben einen Soldaten und einen Polizisten wegen »konfliktbezogener sexualisierter Gewalt gegen Kinder«. Die beiden Männer wurden zu Gefängnisstrafen von fünf bzw. zehn Jahren verurteilt und mussten den Familien Schmerzensgeld zahlen. Im September 2020 befand ein von den Streitkräften eingesetztes Militärsondergericht mehrere Soldaten wegen Vergewaltigung in neun Fällen und Gruppenvergewaltigung in zwei Fällen mit insgesamt elf Überlebenden für schuldig. Die Militärgerichte sind allerdings für solche Fälle gar nicht zuständig. Nach Angaben des UN-Entwicklungsprogramms schloss zwischen Oktober 2019 und Oktober 2020 ein Gericht, das für Verfahren im Bereich sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt sowie für Jugendgerichtsverfahren eingerichtet worden war, 13 von 369 registrierten Verfahren ab. Das Gericht verkündete einen Freispruch und zwölf Schuldsprüche. Zu den Verfahren zählen drei Vergewaltigungsprozesse gegen Soldaten und ein Vergewaltigungsprozess gegen einen NSS-Angehörigen, bei denen kein Zusammenhang mit dem Konflikt bestand. Die Regierung ergriff keine erkennbaren Maßnahmen zur Einrichtung einer Kommission für Wahrheit, Aussöhnung und Heilung, einer Stelle für Entschädigung und Wiedergutmachung sowie eines mit internationalen und südsudanesischen Richter_innen besetzten Gerichtshofs (Hybrid-Gericht) – alles Institutionen, die in den Friedensabkommen von 2015 und 2018 vorgesehen waren. Das von der Afrikanischen Union unterstützte Hybrid-Gericht soll zuständig sein für die Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung von völkerrechtlichen Verbrechen und anderen gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die seit Dezember 2013 begangen worden sind.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen Nach wie vor nahmen der NSS und der Militärgeheimdienst tatsächliche und vermeintliche Gegner der Regierung sowie andere Kritiker, darunter auch Journalisten und Zivilpersonen, willkürlich fest. Die Geheimdienste hielten sie über lange Zeiträume hinweg willkürlich und unter harten Bedingungen ohne Anklageerhebung oder Aussicht auf einen Prozess in Haft. Inhaftierten wurde das Recht auf eine richterliche Haftprüfung verweigert. Personen, die im Verdacht standen, für diese Rechtsverletzungen verantwortlich zu sein, mussten keine strafrechtlichen Konsequenzen befürchten. Kanybil Noon wurde am 29.Mai 2020 vom NSS willkürlich festgenommen. Kanybil Noon ist Vertreter der südsudanesischen Zivilgesellschaft im Strategic Defence and Security Review Board, dem strategischen Prüfungsgremium für Verteidigung und Sicherheit des 2018 neu aufgelegten Friedensabkommens. Der NSS hielt ihn in seiner größten Hafteinrichtung, auch bekannt als »Blue House«, in Juba in Haft. Im Juni 2020 erlangte er Zugang zu einem Rechtsbeistand, der Ende des Monats beim Hohen Gericht in Juba den Antrag stellte, seinen Mandanten entweder ohne Auflagen auf freien Fuß zu setzen oder ihn einem Richter vorzuführen. Kanybil Noons Gesundheit war angegriffen, jedoch erlaubte der NSS nicht, dass er in der Haft medizinisch betreut wurde. Am 22.September kam er ohne Anklageerhebung frei. Ein Journalist wurde am 1.Mai 2020 vorübergehend festgenommen, als er über Motorradfahrer berichtete, die eine Polizeiwache stürmten. Die Motorradfahrer warfen der Polizei vor, sie bei der Durchsetzung der Covid-19-Beschränkungen im Straßenverkehr schikaniert zu haben.

 Exzessive Gewaltanwendung Am 3. Juni 2020 schossen Sicherheitskräfte in Shirkat, einem Stadtteil von Juba, auf unbewaffnete Demonstrierende und verletzten mindestens zwei Menschen. Auslöser der Proteste war die rechtswidrige Tötung von vier Personen, unter ihnen eine Schwangere und ein älterer Mann, durch Soldaten. Es hatte zuvor Tätlichkeiten wegen einer Landstreitigkeit gegeben, an denen auch ein Verwandter des Präsidenten beteiligt war. Dieser erlag in der Nacht seinen Verletzungen. Mindestens 14 Demonstrierende wurden festgenommen und ohne Rechtsgrundlage im Zentralgefängnis von Juba inhaftiert. Im November erhielten sie die Freiheit zurück, wurden aber wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung und Erregung öffentlichen Ärgernisses angeklagt.

Todesstrafe Nach wie vor wurden Todesurteile ausgesprochen und Hinrichtungen vollstreckt. Das südsudanesische Berufungsgericht hob am 14. Juli 2020 das gegen Magai Matiop Ngong verhängte Todesurteil auf, weil er zum Tatzeitpunkt 2017 noch minderjährig war. Der Fall wurde an den Hohen Gerichtshof zurückverwiesen, damit dieser über ein angemessenes Urteil entscheidet. Magai wurde am 29. Juli aus dem Todestrakt entlassen und befand sich Ende 2020 in Untersuchungshaft im Zentralgefängnis von Juba, da die Familie des von ihm getöteten Mannes Rechtsmittel vor dem Obersten Gerichtshof eingelegt hatte.

Recht auf Gesundheit Das Recht auf Gesundheit war weiterhin stark gefährdet. Die Einrichtungen des staatlichen Gesundheitswesens waren nur mit geringen Ressourcen ausgestattet. Nach Angaben der UN gab es für 56 Prozent der Bevölkerung keine medizinische Grundversorgung. Die staatliche Gesundheitsversorgung war zudem unterfinanziert. Lediglich 2,8 Prozent des Staatshaushalts (etwa 11,65 Mio. Euro) wurden dem Gesundheitswesen zugewiesen. Medizinische Ausrüstung zur Behandlung von Covid-19, wie z.B. Beatmungsgeräte und persönliche Schutzausrüstung für das medizinische Personal, war knapp. Medien berichteten, dass der Südsudan im April 2020, als die Pandemie das Land erreichte, lediglich über vier Beatmungsgeräte für schätzungsweise 11 Mio. Menschen verfügte. Obwohl sehr viele Menschen im Südsudan an posttraumatischen Belastungsstörungen leiden, war eine psychiatrische und psychosoziale Versorgung der Bevölkerung nach wie vor nur in sehr geringem Umfang verfügbar. Das führte dazu, dass psychisch Kranke routinemäßig in Gefängnissen untergebracht wurden.

Medizinisches Personal Die Regierung ergriff während der Covid[1]19-Pandemie keine Maßnahmen, um die Rechte des medizinischen Personals zu schützen. Beschäftigten im Gesundheitswesen war es kaum möglich, an Schutzausrüstung zu gelangen. Außerdem litten sie unter einer enorm hohen Arbeitsbelastung. Die staatlichen Ärzt_innen wurden von Februar bis Mai 2020 nicht bezahlt. Sozial- und Krankenversicherungsleistungen bekamen sie ebenfalls nicht. Nach einem eintägigen Streik der Ärzt_innen im Mai 2020 bot ihnen die Regierung zum Ausgleich eines Teils der Gehaltsrückstände einen Pauschalbetrag von 10.000 südsudanesischen Pfund (etwa 63 Euro). Einigen Ärzt_innen, die das Angebot nicht annehmen wollten, wurde die Entlassung angedroht.

Verhinderung humanitärer Hilfe Die humanitäre Krise wurde durch gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen sowie die Covid-19-Pandemie und Überschwemmungen, unter denen etwa das halbe Land litt, verschlimmert. Bis zu 1,7 Mio. Menschen waren 2020 noch immer Binnenvertriebene. Etwa 6 Mio. Menschen – mehr als die Hälfte der Bevölkerung – litten unter akuter Lebensmittelunsicherheit. Millionen Menschen hatten kaum oder keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen und auch nicht zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung und ähnlichen Leistungen. Angriffe auf Mitarbeitende humanitärer Hilfsorganisationen zwischen Januar und November 2020, bei denen neun Menschen ums Leben kamen, verschärften die Krise noch weiter. Humanitäre Hilfsorganisationen berichteten, dass es 459 Vorfälle gegeben habe, durch die humanitäre Hilfe verhindert wurde. Mitarbeiter_innen humanitärer Hilfsorganisationen wurden auf den Hauptstraßen des Landes häufig ausgeraubt und angegriffen.

 Veröffentlichungen von Amnesty International a East Africa: People seeking safety are trapped at borders due to COVID-19 measures (Press release, 22 June) a South Sudan: UN arms embargo must be maintained after surge in violence against civilians in 2020 (Press re[1]lease, 30 November) a Systematic harassment of civil so[1]ciety, journalists, private sector and critics by South Sudan’s intelligence agency (AFR 65/2727/2020) a Accountability critical to ending grave human rights violations in South Sudan (AFR 65/3105/2020) a Exposed, silenced, attacked: Failures to protect health and essential workers during the COVID-19 pandemy

Bericht zur Menschenrechtslage aus dem Jahresbericht 2021/2022:

Staatsoberhaupt und Regierungschef: Salva Kiir Mayardit

Hunderttausende von Menschen sind wegen des Konflikts aus ihrer Heimat geflohen. Humanitäre Hilfe wurde erschwert oder blockiert. Alle Konfliktparteien haben schwere Verstöße gegen die internationalen Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht begangen, darunter die willkürliche und gezielte Tötung von Zivilisten, die Rekrutierung und der Einsatz von Kindern, Akte sexueller Gewalt und die Zerstörung von Eigentum. Mindestens 52 Menschen, darunter auch Kinder, wurden außergerichtlich hingerichtet. Die Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen blieb die Norm, und die Regierung versäumte es, den Hybridgerichtshof für den Südsudan (HCSS) einzurichten. Die Sicherheitskräfte gingen weiterhin mit rechtswidriger Überwachung gegen Regierungskritiker vor und nahmen sie in einigen Fällen willkürlich fest und inhaftierten sie. Auf die Aufrufe zu friedlichen Protesten reagierten sie mit einer Welle der Repression. Es wurden Todesurteile verhängt und Hinrichtungen vollstreckt. Die Regierung kam ihrer Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz des Rechts auf Gesundheit und Bildung weiterhin nicht nach.

HINTERGRUND Im Juli feierte der Südsudan das 10-jährige Jubiläum der Unabhängigkeit. Die extremen Überschwemmungen hielten an und betrafen nach Angaben der Vereinten Nationen acht von zehn Bundesstaaten, was zu einer humanitären Krise führte und diese sogar noch verschärfte. Die Gewalt hielt in verschiedenen Gebieten des Landes an und brachte die Konfliktparteien und die mit ihnen verbündeten lokalen Gruppen gegeneinander auf. Die monatelangen Spannungen gipfelten im Juni in Kämpfen im Bezirk Tambura im Bundesstaat West-Äquatoria zwischen konkurrierenden lokalen Gruppen, die mit Kräften verbunden sind, die den Südsudanesischen Volksverteidigungskräften ( South Sudan People’s Defence Forces – SSPDF) der Regierung angehören, einerseits und der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee in Opposition ( Sudan People’s Liberation Army-In Opposition – SPLA-IO) andererseits. Die Spaltung der SPLA-IO im August führte zu Kämpfen zwischen den Gruppen im Norden. Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und der Nationalen Heilsfront ( National Salvation Front – NAS), einer nichtstaatlichen bewaffneten Gruppe, im Bundesstaat Zentral- und Westäquatoria hielten an. Im Mai erneuerte der UN-Sicherheitsrat das Waffenembargo und legte fünf Kriterien fest, anhand derer das Embargo im Jahr 2022 überprüft werden soll.(1 )Im Juli wurde die Volkskoalition für zivile Aktionen ( People’s Coalition for Civil Action – PCCA) gegründet. Sie rief zu friedlichen Massenprotesten auf und forderte den Rücktritt der Führung des Landes.

VERLETZUNGEN DER INTERNATIONALEN MENSCHENRECHTS NORMEN Von Juni bis Oktober führten lokale Gruppen, die einerseits der SSPDF und andererseits der SPLA-IO angehören, eine Terrorisierungskampagne gegen die Zivilbevölkerung in den Gemeinden Balanda und Azande im Bezirk Tambura durch. Nach Angaben der örtlichen Regierung wurden dabei rund 300 Menschen getötet. Kämpfer beider Seiten töteten Zivilisten, indem sie sie erschossen oder ihnen die Kehle durchschnitten; sie entführten Zivilisten, verstümmelten Leichen, setzten Wohnviertel in Brand und plünderten und zerstörten ziviles Eigentum, Schulen und Gesundheitseinrichtungen. Nach UN-geprüften Regierungsangaben wurden durch die Kämpfe mehr als 80.000 Menschen vertrieben. Familien wurden auf der Flucht getrennt, und einige konnten auch Monate später nicht wieder zusammengeführt werden. Den Vertriebenen in den Lagern und den Aufnahmegemeinschaften mangelte es an Nahrungsmitteln, Medikamenten und angemessenen Unterkünften.(2) Die Kämpfe zwischen Regierungs- und Oppositionskräften und der NAS hielten auch im vierten Jahr an. Nach Angaben der UNO griffen Mitglieder der NAS ein Krankenhaus an und verübten neben anderen Menschenrechtsverletzungen auch eine Reihe sexueller Gewalttaten an mindestens drei Personen. In anderen Gebieten wurden die Kämpfe zwischen ethnischen Gruppen, Clans und Sub-Clans fortgesetzt, was nach Angaben der Vereinten Nationen zu mindestens 441 Vorfällen führte, bei denen Menschenrechte verletzt wurden, darunter willkürliche Tötungen, Verletzungen, Entführungen, konfliktbedingte sexuelle Gewalt, willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, Folter und andere Misshandlungen sowie Plünderungen und Zerstörungen von Zivileigentum, so Amnesty International Report 2021/22 . Es kam weiterhin zu Angriffen bewaffneter Jugendlicher auf deutlich gekennzeichnete humanitäre Fahrzeuge. Die Vereinten Nationen berichteten, dass mindestens fünf humanitäre Helfer getötet und zwei willkürlich festgenommen wurden.

VERWEIGERUNG DES ZUGANGS VON HUMANITÄRSLEISTUNGEN Nach Angaben der UN benötigten schätzungsweise 8,3 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Trotz des dringenden Bedarfs wurde der Zugang für humanitäre Hilfe weiterhin verweigert und eingeschränkt. Nach Angaben des UN OCHA meldeten humanitäre Akteure 542 Zugangsbeschränkungen, und die Regierungsbehörden errichteten weiterhin bürokratische Hindernisse.

AUSSERGERICHTLICHE HINRICHTUNGEN Die UN-Mission im Südsudan (UNMISS) berichtete, dass zwischen März und November mindestens 52 Menschen, darunter auch Kinder, in den Bundesstaaten Warrap und Lakes außergerichtlich hingerichtet wurden. Nach Angaben der UN-Menschenrechtskommission für den Südsudan führten in fast allen Fällen staatliche Sicherheitskräfte die Hinrichtungen durch oder befanden sich “in der Nähe der Hinrichtungen”. Die Personen, darunter auch Kinder, wurden aufgereiht und auf einem Marktplatz öffentlich durch ein Erschießungskommando hingerichtet. Nach Angaben von UNMISS wurden einige Personen vor ihrer Hinrichtung an Bäume gefesselt, und Regierungsvertreter verteidigten die Hinrichtungen als notwendigen Abschreckungsmechanismus, da es keine rechtsstaatlichen Institutionen gebe.

KINDERRECHTE Nach Angaben der Vereinten Nationen haben die SPLA-IO, bewaffnete Gruppen und Sicherheitskräfte der Regierung 124 Kinder – 28 Mädchen und 96 Jungen – schwer verletzt und missbraucht. Dazu gehörten Tötung, Verstümmelung, Entführung, sexuelle Gewalt, Zwangsrekrutierung und Einsatz von Kindern im Kampf und in unterstützenden Funktionen wie Träger, Köche und Spione. Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen.

RECHT AUF BILDUNG Das Recht der Kinder auf Bildung ist nach wie vor stark eingeschränkt. Nach Angaben von UNICEF waren mehr als 2 Millionen Kinder, die meisten von ihnen Mädchen, aufgrund von Covid-19 und anderen Hindernissen, die ihren Zugang zur Bildung erschwerten, darunter finanzielle Barrieren und Überschwemmungen, nicht in der Schule. Im November waren nur acht von 53 Schulen im Bezirk Tambura geöffnet, was das Recht auf Bildung über Monate hinweg stark einschränkte. Der SSPDF nahestehende Kämpfer nutzten während der Kämpfe mehrere Wochen lang eine Grundschule in der Stadt Tambura als Kaserne, bis sie Ende Oktober von Regierungsvertretern zum Abzug überredet wurden. Eine solche Nutzung von Schulen durch bewaffnete Akteure verstößt gegen die globale Erklärung über sichere Schulen, der die Regierung 2015 zugestimmt hat, und untergräbt die internationalen Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht.

Geschlechtsspezifische Gewalt Ein hohes Maß an konfliktbezogener sexueller Gewalt und geschlechtsspezifischer Gewalt gab weiterhin Anlass zur Sorge. Nach Angaben der Vereinten Nationen verübten staatliche Sicherheitskräfte und nichtstaatliche bewaffnete Akteure während des Konflikts mindestens 63 sexuelle Gewalttaten, von denen 89 Frauen, Mädchen und Männer im Alter zwischen zwei und 50 Jahren betroffen waren, darunter Vergewaltigungen, Gruppenvergewaltigungen und erzwungene Nacktheit. Straflosigkeit für Verbrechen nach internationalem Recht und andere schwere Menschenrechtsverletzungen und -missbräuche hielten an. Im Januar billigte der Ministerrat einen Plan des Justizministeriums zur Einrichtung des HCSS, der Kommission für Wahrheit, Versöhnung und Heilung ( Commission for Truth, Reconciliation and Healing – CTRH), der Behörde für Entschädigung und Wiedergutmachung und anderer justizbezogener Bestimmungen des Friedensabkommens. Ende des Jahres hatte die Regierung jedoch lediglich den technischen Ausschuss für die Einrichtung der CTRH neu konstituiert, und eine UN-Agentur hatte mit der Ausbildung der Ausschussmitglieder begonnen. Die Regierung gab offenbar ihrer Wahrnehmung der Wahrheit Vorrang vor der Strafverfolgung und verzögerte und blockierte weiterhin die Einrichtung des HCSS, der, wenn er seine Arbeit aufnimmt, Verbrechen nach internationalem Recht untersuchen und strafrechtlich verfolgen soll.(3 )Das Strafgesetzbuch von 2008 war noch immer nicht geändert worden, um Verbrechen nach internationalem Recht einzubeziehen. Das Gericht für geschlechtsspezifische Gewalt und das Jugendgericht waren zwar weiterhin tätig, doch wurden keine Fälle von sexueller Gewalt im Zusammenhang mit Konflikten vor Gericht gebracht.

Willkürliche Verhaftungen und Festnahmen Während des gesamten Jahres nahm der Nationale Sicherheitsdienst (NSS) weiterhin willkürlich tatsächliche oder vermeintliche Regierungsgegner und -kritiker, darunter auch Journalisten und Mitglieder der Zivilgesellschaft, fest und inhaftierte sie über längere Zeiträume. Zwischen dem 2. und 30. August nahmen staatliche Akteure im Zusammenhang mit Aufrufen zu friedlichen Protesten landesweit mindestens 14 Personen willkürlich fest. In Yei wurden zwei Mitglieder der Zivilgesellschaft sowie ein Bischof und ein Student fast zwei Monate lang in einer Hafteinrichtung des Militärgeheimdienstes festgehalten, ohne dass sie Zugang zu ihren Anwälten hatten. Kuel Aguer Kuel, einer der Gründer des PCCA, wurde am 2. August von NSS-Beamten festgenommen und blieb bis zum Jahresende im Zentralgefängnis von Juba (4 )(siehe unten, Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit). Das NSS-Gesetz von 2014 blieb in Kraft, obwohl das 2018 wiederbelebte Abkommen über die Beilegung des Konflikts in der Republik Südsudan eindeutig dazu verpflichtet, es bis Februar 2020 zu ändern. Es räumte den NSS-Beamten weiterhin polizeiähnliche Festnahme- und Inhaftierungsbefugnisse ein und verstieß damit gegen den verfassungsmäßigen Auftrag des Dienstes, Informationen zu sammeln, sowie gegen internationale Menschenrechtsstandards.

Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit Das Recht auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wurde nach wie vor eingeschränkt und die Medien wurden weiterhin zensiert. Im August und September wurden die Aufrufe der PCCA zu friedlichen Protesten mit einer Welle der Repression beantwortet. Die Behörden setzten eine große Zahl von Sicherheitskräften auf den Straßen der größeren Städte ein und verhafteten unter anderem Aktivisten der Zivilgesellschaft und einen Politiker; außerdem schlossen sie einen Radiosender und einen akademischen Think-Tank, die beide im September bzw. November ihre Arbeit wieder aufnahmen. Am 29. August, dem Vorabend der geplanten Proteste, wurden Störungen des Internets gemeldet, die bis zum späten Nachmittag des 30. August andauerten. Es gab Anzeichen dafür, dass es sich bei der Abschaltung um einen gezielten Versuch der Behörden handelte, die Proteste zum Scheitern zu bringen.(5) Nach den gescheiterten Protesten setzten die Sicherheitskräfte die Schikanen gegen Mitglieder der Zivilgesellschaft in der Hauptstadt Juba, Yei, Bor und Wau fort. Einige von ihnen vermuteten, dass die Sicherheitskräfte sie unter Beobachtung gestellt hatten. Mehrere Menschenrechtsaktivisten wurden ins Exil gezwungen. Am 6. Oktober wies die Bank of South Sudan alle Geschäftsbanken an, die Konten von drei zivilgesellschaftlichen Organisationen, einer Denkfabrik, vier Aktivisten und einem Politiker einzufrieren, die entweder Mitglieder der PCCA waren oder verdächtigt wurden, Mitglieder der PCCA zu sein.(6) Am Ende des Jahres waren alle Konten außer denen der Denkfabrik weiterhin eingefroren.

RECHT AUF PRIVATSPHÄRE Die Regierung überwachte die Kommunikation, wahrscheinlich mit Unterstützung von Telekommunikationsunternehmen. Der NSS setzte außerdem ein weit verzweigtes, grenzüberschreitendes Netz von Informanten und Agenten ein, das alle Ebenen der Gesellschaft und des täglichen Lebens durchdrang; er überwachte die Medien und die sozialen Medien und verlangte von den Organisatoren öffentlicher Veranstaltungen eine Genehmigung, bevor sie eine Versammlung abhalten konnten. Der NSS nutzte diese Formen der Überwachung unter Verletzung des Rechts auf Privatsphäre, um willkürlich Personen außerhalb des Gesetzes festzunehmen und zu inhaftieren und damit das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu verletzen. In einem Fall wurde am 17. Juli ein Workshop der Zivilgesellschaft über den Verfassungsgebungsprozess mit der Begründung aufgelöst, die Organisatoren hätten keine Genehmigung des NSS eingeholt. Die kumulative Wirkung dieser Maßnahmen schuf ein Klima der Angst und führte zu Selbstzensur.(7 )

TODESSTRAFE Es wurden weiterhin Todesurteile verhängt und Hinrichtungen vollstreckt. Am 12. Februar bestätigte der Oberste Gerichtshof die Entscheidung des Berufungsgerichts aus dem Jahr 2020, das Todesurteil gegen Magai Matiop Ngong aufzuheben, und ordnete außerdem eine Altersbestimmung und eine Wiederaufnahme des Verfahrens an. Magai Matiop Ngong war zum Zeitpunkt des Vorfalls und der Verurteilung 15 Jahre alt.

RECHT AUF GESUNDHEIT Das Recht auf Gesundheit war nach wie vor ernsthaft bedroht und die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen waren weiterhin unterfinanziert. Infolge der unzureichenden Gesundheitsversorgung und der Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen sterben weiterhin viele Südsudanesen an vermeidbaren Krankheiten und anderen Leiden. Im Bezirk Tambura haben bewaffnete Männer Gesundheitseinrichtungen geplündert und gebrandschatzt, wodurch der Zivilbevölkerung die lebenswichtige Versorgung vorenthalten und gegen internationales Recht verstoßen wurde. Im November wurden 13 von 20 medizinischen Einrichtungen im Bezirk durch Vandalismus unbrauchbar gemacht, und die verbliebenen waren kaum noch funktionsfähig. Am Ende des Jahres waren nur 1,52 % der Bevölkerung vollständig geimpft, was u. a. auf die ungleiche Verteilung der Impfstoffe weltweit, unzureichende Lieferungen und unvorhersehbare Ankunftszeiten, die kurze Haltbarkeit der Impfstoffe sowie auf Hindernisse beim Erreichen einiger Gebiete aufgrund von Überschwemmungen und Konflikten zurückzuführen ist.(8 )

MENTALE GESUNDHEIT Der Zugang zu psychosozialen Diensten war stark eingeschränkt, und die Gesundheitsdienstleister waren nicht in der Lage, den weit verbreiteten und erheblichen Bedarf zu decken. Im ganzen Land waren nur drei Psychiater tätig, die auch für die Ausbildung und Überwachung des Gesundheitspersonals zuständig waren. Das Juba Teaching Hospital war die einzige öffentliche medizinische Einrichtung, die eine stationäre psychiatrische Versorgung anbot, und die Nachfrage überstieg die Zahl der verfügbaren Betten für psychiatrische Patienten. Psychopharmaka waren nur sporadisch und in begrenztem Umfang verfügbar.

  1. Südsudan: Die Verlängerung des Waffenembargos gegen den Südsudan durch den UN-Sicherheitsrat ist ein willkommener Schritt, aber die schwachen Maßstäbe sind eine Enttäuschung (Index: AFR 65/4291/2021), 24. Juni
  2. “Südsudan: Überlebende beschreiben Tötungen, Massenvertreibungen und Terror inmitten der Kämpfe in West-Äquatoria”, 9. Dezember
  3. Appellbrief für Wahrheit und Gerichtsverfahren im Südsudan (Index: AFR 65/4305/2021), 7. Juni
  4. Südsudan muss das Recht auf friedliche Versammlungsfreiheit respektieren (Index: AFR 65/4760/2021), 23. September
  5. “Südsudan: Neue Welle der Repression gegen friedliche Proteste beenden”, 3. September
  6. Südsudan: Freigabe der Bankkonten von zivilgesellschaftlichen und politischen Aktivisten (Index: AFR 65/5017/2021, 19. November)
  7. Südsudan: “These Walls Have Ears”: Die abschreckende Wirkung der Überwachung im Südsudan (Index: AFR 65/3577/2021), 2. Februar
  8. “Das Problem des Zugangs angehen und die Pandemie wird morgen in den Griff zu bekommen sein”: Global Vaccine Inequity’s Impact in East Africa (Index: AFR 04/5084/2021), 14. Dezember

Jahresbericht 2022/23:

Südsudan 2022

Sicherheitskräfte der Regierung und bewaffnete Gruppen verübten schwere Menschenrechtsverletzungen, darunter Tötungen, sexuelle Gewalt, Entführungen, Inhaftierungen, Folter und andere Misshandlungen, die Rekrutierung und den Einsatz von Kindern sowie die Zerstörung von Zivileigentum. Mindestens 24 Menschen wurden von den Regierungstruppen außergerichtlich hingerichtet, darunter ein Kind. Sexuelle Gewalt im Zusammenhang mit Konflikten war weit verbreitet und systematisch, und Verdächtige wurden nur selten wegen dieser und anderer Verbrechen nach internationalem Recht strafrechtlich verfolgt. Der Zugang für humanitäre Hilfe war eingeschränkt, und Millionen von Menschen litten unter akuter Nahrungsmittelknappheit. Die Regierung hat es versäumt, das Recht auf Gesundheit zu achten, zu schützen, zu fördern und zu verwirklichen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Vereinigungsfreiheit und auf friedliche Versammlung wurde verletzt. Es wurden Todesurteile verhängt und Hinrichtungen vollstreckt. Es wurde befürchtet, dass ein Projekt zur Umleitung von Wasser die örtlichen Gemeinschaften und die Tierwelt beeinträchtigen würde.

Hintergrund

Im März erneuerte der UN-Menschenrechtsrat das Mandat der Menschenrechtskommission für den Südsudan (CHRSS). Im Mai verlängerte der UN-Sicherheitsrat das Waffenembargo.1 Im Juli nahm der Menschenrechtsrat die dritte UPR des Südsudan an .Am 2. August unterzeichneten die Parteien des Friedensabkommens von 2018 einen Fahrplan zur Verlängerung der Übergangszeit um 24 Monate. Im November brach der von der Gemeinschaft Sant’Egidio vermittelte Friedensprozess zwischen der Regierung und bewaffneten Oppositionsgruppen, die das Friedensabkommen von 2018 nicht unterzeichnet hatten, zusammen. Die Gewalt zwischen den Konfliktparteien, den mit ihnen verbündeten Milizen, bewaffneten Gruppen und Bürgerwehren hielt im ganzen Land an.

Im vierten Jahr der schweren Überschwemmungen wurden mehr als 1,1 Millionen Menschen in Mitleidenschaft gezogen, wobei Häuser, Schulen, Gesundheitseinrichtungen, Wasserquellen und die Nahrungsmittelproduktion zerstört wurden. Über 2 Millionen Menschen wurden zu Binnenvertriebenen und 2,27 Millionen lebten als Flüchtlinge. Im Oktober berichtete The Sentry, eine investigative und politische Organisation, dass fast eine Milliarde US-Dollar bei einem Bankbetrug verschwunden waren, wovon die südsudanesische Führung und ihre Familien profitierten und Hunderttausende von Menschen, die auf staatliche Gesundheits- und Nahrungsmitteldienstleistungen angewiesen waren, benachteiligt wurden.

Rechtswidrige Angriffe und Tötungen

Zwischen Februar und Mai kam es im südlichen Teil des Bundesstaates Unity zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften der Regierung und ihr nahestehenden Milizen und der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee – Opposition (SPLA-IO). Nach Angaben der Vereinten Nationen verübten die Regierungstruppen und verbündete Milizen rechtswidrige Angriffe, die sich auch gegen Zivilisten richteten. Mindestens 173 Zivilisten wurden getötet und über 130 Frauen und Mädchen vergewaltigt oder gruppenvergewaltigt. Die Gewalt führte auch zur Plünderung von Häusern und öffentlichen Gebäuden, zu Viehdiebstählen und zur Vertreibung von mindestens 44.000 Zivilisten.

Ab August kam es zu umfangreichen Kämpfen zwischen den Agwelek-Kräften (einer regierungsnahen ethnischen Miliz), der SPLA-IO, einer abtrünnigen Fraktion der SPLA-IO und Teilen der Weißen Armee (ethnische Verteidigungskräfte der Gemeinden). Nach Angaben der Vereinten Nationen griffen die an den Kämpfen beteiligten Parteien Einrichtungen für Binnenflüchtlinge an, töteten Zivilisten, entführten Zivilisten, zerstörten ziviles Eigentum und verübten geschlechtsspezifische Gewalt. Durch die Kämpfe wurden mindestens 20.000 Menschen vertrieben und die ohnehin schon katastrophale humanitäre Lage verschlimmert. Diejenigen, die nicht weit fliehen konnten, darunter auch ältere Menschen, haben sich Berichten zufolge in Büschen und Sümpfen versteckt.

Nach Angaben der Vereinten Nationen dauerten die Kämpfe zwischen Regierungs- und Oppositionskräften und einer nichtstaatlichen bewaffneten Gruppe, der Nationalen Heilsfront (NAS), im fünften Jahr im Süden des Landes an, was zu Entführungen, willkürlichen Verhaftungen und Schlägen von Zivilisten durch NAS- und Regierungskräfte führte. In anderen Gebieten waren zwischen Dezember 2021 und dem 30. November 2022 Sicherheitskräfte der Regierung, die SPLA-IO und gemeindebasierte Milizen für mindestens 665 Vorfälle verantwortlich, bei denen es zu Menschenrechtsverletzungen kam, darunter willkürliche Tötungen, außergerichtliche Hinrichtungen, sexuelle Gewalt, Entführungen, Inhaftierungen, Folter und andere Misshandlungen sowie Plünderungen und Zerstörung von Zivileigentum.

Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt

Zwischen dem 25. Februar und dem 30. November dokumentierte die UN-Mission im Südsudan (UNMISS) 52 Vorfälle von konfliktbezogener sexueller Gewalt (CRSV) durch Sicherheitskräfte der Regierung, eine unbekannte bewaffnete Gruppe und Milizen auf Gemeindeebene, von denen 103 Menschen betroffen waren. Die tatsächliche Zahl dürfte noch höher liegen. Dem CHRSS zufolge ist sexuelle Gewalt in Konflikten nach wie vor weit verbreitet und systematisch, was durch einen Mangel an Rechenschaftspflicht noch verschärft wird und auf eine patriarchalische Gesellschaft zurückzuführen ist. Die Umsetzung des Aktionsplans 2021 für die Streitkräfte zur Bekämpfung von CRSV war unzureichend. Exemplare des Aktionsplans waren nicht leicht zugänglich, und die Überlebenden und die meisten Mitglieder der Zivilgesellschaft waren kaum darüber informiert.3 Trotz des Bedarfs waren die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Diensten für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung für Überlebende von CRSV weiterhin äußerst begrenzt.

Verweigerung des humanitären Zugangs

Zwischen dem 1. Dezember 2021 und dem 30. November 2022 wurden nach Angaben der Vereinten Nationen 589 Vorfälle im Zusammenhang mit der Einschränkung des Zugangs für humanitäre Hilfe gemeldet. Davon betrafen 280 Gewalt gegen humanitäre Helfer und Einrichtungen. Neun Angriffe auf Konvois fanden statt. Mindestens 10 humanitäre Helfer wurden getötet, und 233 humanitäre Helfer mussten aufgrund von Kämpfen zwischen bewaffneten Akteuren umgesiedelt werden.

Straflosigkeit

Die strafrechtliche Verfolgung von Verdächtigen, die Verbrechen nach internationalem Recht, einschließlich CRSV, begangen haben, blieb die Ausnahme und Straflosigkeit die Regel. Eine Handvoll Fälle von sexueller Gewalt, die von staatlichen Sicherheitsakteuren gegen Zivilisten begangen wurden, wurden vor Militär- und Zivilgerichten verhandelt, aber diese standen in keinem Verhältnis zu der hohen Zahl der Fälle. Bis zum Ende des Jahres wurde kein einziger Fall als Kriegsverbrechen oder Folter verfolgt. Der Rechtsrahmen des Südsudan ist weiterhin nicht in der Lage, CRSV und andere Verbrechen nach internationalem Recht wirksam zu bekämpfen. Das Strafgesetzbuch von 2008 wurde nicht geändert und enthielt keine Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, definierte Vergewaltigung weiterhin nur begrenzt und enthielt keine Befehlsverantwortung als Möglichkeit der strafrechtlichen Haftung. Im September hat ein Militärgericht in Yei acht Soldaten wegen Vergewaltigung verurteilt, wie nationale Gerichtsbeobachter berichten. Mehrere männliche Familienangehörige von Überlebenden von CRSV erhielten eine Teilentschädigung für Vorfälle, die 2020 von einem Militärgericht in Yei entschieden wurden.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Am 5. April leitete der Präsident öffentliche Konsultationen ein, um die Gesetzgebung für die Einrichtung der Kommission für Wahrheit, Versöhnung und Heilung vorzubereiten. Ein technischer Ausschuss nahm die Konsultationen im Mai auf. Ende des Jahres schloss der Ausschuss die Konsultationen ab und legte dem Minister für Justiz und Verfassungsangelegenheiten einen Bericht vor. Bei der Einrichtung der Behörde für Entschädigung und Wiedergutmachung und des Hybridgerichts für den Südsudan wurden keine Fortschritte erzielt. Präsident Kiir vertrat weiterhin die Auffassung, dass Versöhnung der Rechenschaftspflicht vorzuziehen sei.4

Außergerichtliche Hinrichtungen

Nach Angaben der UNMISS haben hochrangige Regierungsvertreter die außergerichtliche Hinrichtung von drei Zivilisten im Bundesstaat Warrap und eines Polizeibeamten im Bundesstaat Unity angeordnet. Im Juni dokumentierte Human Rights Watch die außergerichtliche Tötung von drei Zivilisten, darunter ein Kind, durch die Armee im Bundesstaat Central Equatoria. Medienberichten und dem UN-Expertengremium zufolge haben Sicherheitskräfte der Regierung im August im Bundesstaat Unity drei unbewaffnete Rebellensoldaten durch ein Erschießungskommando hingerichtet und einen weiteren zu Tode verbrannt. UNMISS dokumentierte weitere 13 außergerichtliche Hinrichtungen.

Rechte der Kinder

Nach Angaben der Vereinten Nationen haben die Armee, die SPLA-IO, die Südsudanesische Oppositionsallianz, nichtstaatliche bewaffnete Gruppen und unbekannte bewaffnete Personen schwerwiegende Verstöße und Misshandlungen an 243 Kindern begangen – 138 Jungen, 102 Mädchen und drei, deren Geschlecht unbekannt ist. Die tatsächliche Zahl dürfte höher sein. Zu den Verstößen gehörten Entführungen, Tötungen, Verstümmelungen, Vergewaltigungen sowie die Zwangsrekrutierung und der Einsatz von Kindern im Kampf und als Hilfskräfte wie Träger, Köche und Spione. Nach den jüngsten Daten von UNICEF waren 2,8 Millionen Kinder nicht zur Schule gegangen, und ein Drittel der Schulen war beschädigt oder zerstört worden. Mehr als 7.000 Kinder benötigten Hilfe bei der Suche nach ihrer Familie und bei der Familienzusammenführung, und 1,4 Millionen Kinder litten an akuter Unterernährung.

Recht auf Nahrung

Mehr als sechseinhalb Millionen Menschen waren akut von Ernährungsunsicherheit betroffen. Die jüngste integrierte Bewertung der Phase der Ernährungssicherheit ergab, dass schätzungsweise 7,76 Millionen Menschen, also weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung, in der mageren Jahreszeit von April bis Juli 2023 von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sein werden. Während des gesamten Jahres war die Nahrungsmittelproduktion durch den Konflikt, den wirtschaftlichen Niedergang, Überschwemmungen und klimatische Schocks stark eingeschränkt.

Recht auf Gesundheit

Die Regierung ist ihrer Verpflichtung, das Recht auf Gesundheit zu achten, zu schützen und zu erfüllen, weiterhin nicht nachgekommen. Die Zahl der Todesfälle durch vermeidbare Krankheiten und andere Leiden war hoch, da die Gesundheitsversorgung unzureichend war, was durch Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen und Ärzte durch Regierungstruppen, bewaffnete Oppositionsgruppen, Bürgerwehren und Milizen noch verschärft wurde. Nur schätzungsweise 44 % der Bevölkerung hatten Zugang zu primären Gesundheitsdiensten. Obwohl posttraumatische Belastungsstörungen in der Bevölkerung weit verbreitet sind, sind die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Diensten für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung weiterhin äußerst begrenzt.

Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und das Recht, sich friedlich zu versammeln, wurde weiterhin verletzt. Am 18. Januar erlaubten die Behörden der Zeitung Number One Citizen die Wiederaufnahme ihres Betriebs, nachdem sie am 9. Dezember 2021 mit der Begründung eingestellt worden war, ihr Chefredakteur sei nicht als Journalist registriert. Berichten zufolge waren die Behörden verärgert darüber, dass die Zeitung ihre Quellen geschützt hatte. Am 15. März zensierte der Nationale Sicherheitsdienst (NSS) nach Angaben der Vereinten Nationen die Veröffentlichung von Artikeln eines Medienhauses und machte die Wiederaufnahme des Betriebs von einer öffentlichen Entschuldigung für ein falsches Zitat des Informationsministers abhängig. Medienberichten zufolge nahmen Beamte des NSS im Juni neun Journalisten, die über eine SPLM-IO-Pressekonferenz berichteten, kurzzeitig fest, beschlagnahmten ihre Ausrüstung und löschten ihre Tonaufnahmen und Fotos. Im Februar berichteten die Medien, dass Beamte im Bundesstaat Jonglei aus Protest gegen die Entscheidung der lokalen Regierung, die Auszahlung ihrer Gehaltsrückstände zu kürzen, mit den Leibwächtern des Gouverneurs aneinandergerieten, wobei es zu mehreren Verletzungen kam. Medienberichten zufolge wurden im Juni Dutzende von Lehrern im Bundesstaat Warrap von den staatlichen Behörden verhaftet, nachdem sie ihre Gehälter gefordert hatten. Die meisten von ihnen wurden freigelassen, aber sechs wurden in das Zentralgefängnis von Rumbek verlegt, wo sie bis August blieben, als ein Gericht alle Anklagen gegen sie abwies. Am 7. August verhafteten Polizei und NSS-Agenten in Juba sieben Personen, die gegen die steigenden Lebenshaltungskosten protestierten, und hielten sie acht Tage lang fest. Die Polizei verhaftete eine Journalistin, die die Demonstranten interviewte, mit der Begründung, dass sie keinen Ausweis bei sich trug. Sie wurde acht Tage lang unrechtmäßig festgehalten. Im September kündigte die Regierung die Einrichtung eines Sondergerichts zur Verfolgung von Internetkriminalität und Computermissbrauch an. Eine vorläufige Verordnung vom Dezember 2021 soll Straftaten, die über Computer oder das Internet begangen werden, einschließlich Spionage und der Veröffentlichung falscher Informationen, verhindern und Schutz vor ihnen bieten. Die in der Verordnung enthaltenen Definitionen von Straftaten sind weit gefasst und zweideutig, was die Befürchtung aufkommen lässt, dass die Regierung sie zur Verfolgung von Gegnern, Dissidenten und Kritikern, einschließlich Menschenrechtsverteidigern und Aktivisten, nutzen könnte. Das NSS-Gesetz von 2014 wurde immer noch nicht geändert, obwohl die Friedensabkommen von 2015 und 2018 dies vorsehen. Es räumt den NSS-Beamten polizeiähnliche Festnahme- und Inhaftierungsbefugnisse ein und verstößt damit gegen den verfassungsmäßigen Auftrag des NSS, Informationen zu sammeln, sowie gegen internationale Menschenrechtsstandards.

Todesstrafe

Es wurden weiterhin Todesurteile verhängt und Hinrichtungen vollstreckt. Am 22. März ließ das Oberste Gericht des Bundesstaates Eastern Equatoria Magai Matiop Ngong frei. Er war 15 Jahre alt, als er 2017 zum Tod durch den Strang verurteilt wurde, nachdem er wegen Mordes verurteilt worden war, den er als Unfall bezeichnete.6

Umweltzerstörung

Im April kündigte die Regierung ihre Absicht an, das Projekt des Jonglei-Kanals wiederzubeleben, um Wasser aus dem Sudd zum Nil im Sudan und in Ägypten umzuleiten. Hochrangige Regierungsvertreter argumentierten, dass das Projekt dazu beitragen würde, Überschwemmungen in den Bundesstaaten Jonglei und Unity zu verhindern, und im Mai schickte Ägypten Maschinen, um bei den Ausbaggerungsarbeiten zu helfen. Wissenschaftler, Umweltschützer und Aktivisten wiesen jedoch darauf hin, dass sich die Pläne nachteilig auf die vom Wasser abhängigen Gemeinden und die Tierwelt auswirken und aufgrund der geringeren Wasserverdunstung zu einem Mangel an Regen führen könnten. Medienberichten zufolge ordnete Präsident Kiir im Juli die Aussetzung aller Baggerarbeiten im Südsudan an, einschließlich des Sudd-Feuchtgebiets und des Naam-Flusses – eines Nebenflusses des Nils -, bis die Auswirkungen auf die umliegenden Gemeinden und die Ökosysteme untersucht worden sind. Laut Associated Press hat der Präsident einen Ausschuss für die Sudd-Region und den Weißen Nil eingesetzt, der Optionen für das Hochwasser- und Wassermanagement erörtern soll; die Ergebnisse dieses Ausschusses sollen in die Entscheidung über die vorgeschlagenen Projekte einfließen.

“Südsudan: Erneuerung des UN-Waffenembargos positiver Schritt zur Eindämmung konfliktbedingter sexueller Gewalt”, 26. Mai

“Südsudan: Erfüllung der im Rahmen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung eingegangenen Verpflichtung zur Entwicklung einer Menschenrechtsagenda und eines Aktionsplans”, 4. Juli

Südsudan: “Wenn Sie nicht kooperieren, erschieße ich Sie”: Konfliktbedingte sexuelle Gewalt und Straflosigkeit im Südsudan, 18. Mai

Südsudan: Das vernachlässigte Engagement der Afrikanischen Union für Gerechtigkeit in Afrika: Der Fall des Hybridgerichts für den Südsudan, 23. November

Südsudan: Menschenrechtsprioritäten für die Regierung des Südsudan, 3. Februar

“Südsudan: Oberstes Gericht lässt Mann frei, der als Kind zum Tode verurteilt wurde”, 24.März

 

13. August 2023